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Aurora

Aurora

Titel: Aurora Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alastair Reynolds
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Außenhaut
    eines gängigen Habitats zu durchdringen.
    Baudry und Crissel waren eben eingetroffen und hat-
    ten sich zu beiden Seiten des ovalen Fensters postiert. Beide hielten schwere Schlüssel in der Hand, die rechts und links In die Silberfelder eingeführt und dann gleichzeitig umgedreht werden mussten. Nur Oberpräfekten durften über
    diese Schlüssel verfügen, und zwei Oberpräfekten waren
    erforderlich, um die Waffen für extreme Notfälle freizugeben.
    »Ist das Ergebnis schon da?«, fragte Dreyfus.
    »Ein paar Sekunden noch«, antwortete Baudry. Die meis-
    ten Außendienstpräfekten hatten den Raum inzwischen
    verlassen und sich auf die Universales Stimmrecht begeben.
    Nur eine Handvoll war noch mit der Panzerung beschäftigt oder wartete auf die Waffenausgabe. »Da kommt es«, sagte sie, und ihr Unterkiefer spannte sich erwartungsvoll.
    Dreyfus warf einen Blick auf die Daten, die über das Display seines Armbands flossen, aber er brauchte das Resul-tat gar nicht selbst zu sehen. Baudrys Miene sagte ihm alles, was er wissen musste.
    »Bei Sandra Voi!« Crissel schüttelte bestürzt den Kopf.
    »Ich kann es nicht fassen.«
    »Es muss ein Fehler sein«, murmelte Baudry wie in
    Trance.
    »Nein. Einundvierzig Prozent dagegen, vierzig Prozent
    dafür, neunzehn Prozent Enthaltungen. Wir haben mit einem Prozent verloren.«
    Dreyfus kontrollierte die Zahlen auf seinem Armband.
    Es lag kein Fehler vor. Panoplias Bitte um Waffen war abgelehnt worden. »Immerhin waren wir nicht chancenlos«,
    sagte er. »Wenn Haus Aubusson nicht vom Netz gegangen
    wäre, hätten die Bürger dort das Ruder noch herumreißen können.«

    »Ich werde noch einmal fragen«, sagte Baudry. »Laut Ge-
    setz kann ich eine weitere Abstimmung ansetzen.«
    »Das wird nichts ändern. Sie haben beim ersten Mal
    ausgezeichnet argumentiert. Niemand hätte unsere Sache
    besser vertreten können, ohne systemweit Panik auszulö-
    sen.«
    »Ich bin dafür, sie trotzdem auszugeben«, sagte Crissel.
    »An sich brauchen wir dafür kein Mehrheitsvotum. Die
    Schlüssel funktionieren auch so.«
    Dreyfus sah die Sehnen auf Crissels Handrücken hervor-
    treten. Der Oberpräfekt machte sich bereit, den Schlüssel umzudrehen.
    »Vielleicht haben Sie recht«, sagte Baudry mit einer Mischung aus Ehrfurcht und Abscheu in der Stimme, als
    plane sie die Ausführung eines ruhmreichen Verbrechens.
    »Immerhin befinden wir uns in einer Ausnahmesitua-
    tion. Wir haben vier Habitate verloren. Auch können wir ausgedehntere Abstimmungsanomalien nicht ausschlie-
    ßen. Es wäre durchaus vertretbar, dieses Votum zu ignorieren.«
    »Warum haben Sie die Abstimmung dann überhaupt an-
    gesetzt?«, fragte Dreyfus.
    »Ich musste es tun«, antwortete Baudry.
    »Dann müssen Sie auch tun, was die Bürger sagen. Und
    die Bürger sagen: keine Waffen.«
    Crissels Stimme klang fast flehentlich. »Aber dies sind besondere Umstände. Regeln kann man auch einmal brechen.«
    Dreyfus schüttelte den Kopf. »Nein, das kann man nicht.
    Unsere Organisation existiert überhaupt nur, um sicher-
    zustellen, dass die demokratische Maschinerie reibungslos läuft, ohne Fehler, Verzerrungen und Betrug. Nach diesen Regeln ziehen wir alle anderen zur Rechenschaft. Deshalb ist es unsere verdammte Pflicht, die gleichen Maßstäbe
    auch auf uns selbst anzuwenden.«

    Baudry deutete mit einem Nicken auf die Universales Stimmrecht. »Auch wenn das bedeutet, unsere Agenten nur mit Hundepeitschen in diesen Kampf zu schicken?«
    Dreyfus nickte ernst. »Auch dann.«
    »Jetzt wird mir klar, warum Jane Sie nie über den Außendienst hinaus befördert hat«, sagte Baudry und warf Crissel einen verschwörerischen Blick zu. »Jedenfalls sind Sie hier nicht der Ranghöchste, Tom. Nicht Sie haben die Schlüssel, sondern Michael und ich. Auf drei.«
    »Auf drei«, wiederholte Crissel. »Eins ... zwei... und drehen.«
    Die Schlüssel wurden gleichzeitig umgedreht. Hinter der Wand klirrte es dumpf, dann glitt das ovale Fenster schwerfällig beiseite. Die sichtbaren Waffen wurden auf verchromten Metallstäben aus ihren Nischen geschoben. Crissel
    schnappte sich ein mittelgroßes Gewehr, visierte an den verplatteten, mit Schlitzen versehenen Seiten entlang und warf es Dreyfus zu.
    Der fing die Waffe mühelos auf. Sie gab ihm Sicherheit, dennoch sträubte sich alles in ihm. »Ich kann das nicht«, sagte er.
    »Das haben nicht Sie zu entscheiden. Sie wurden soeben
    von zwei Oberpräfekten angemessen bewaffnet.«
    »Aber das

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