Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Aurora

Aurora

Titel: Aurora Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alastair Reynolds
Vom Netzwerk:
Nun waren
    Hals und Kopf nur noch zehn Zentimeter voneinander ent-
    fernt. Aus der Nähe war die Komplexität der Aufgabe noch beeindruckender. Aumoniers Kopf ruhte auf einer gepolsterten Gabel, ständig hin und her schwenkende Trawl-Sonden umgaben ihren rasierten Schädel wie ein stacheli-
    ger Heiligenschein. Die Sauerstoffversorgung des Gehirns wurde über ein Gewirr arterieller Zugänge aufrechterhalten, die in der Haut des Halses steckten oder durch den Stumpf nach oben führten. Einige Nerven waren bereits
    verbunden worden, der Abstand zwischen den Aktivmate-
    riezylindern auf den Nervenenden wurde von Kabeln über-
    brückt.
    »Sie sind doch Arzt«, sagte Gaffney zu Mercier. »Wie
    lange kann sie durchhalten, wenn diese Leitungen nicht
    mehr in ihren Kopf führen?«
    »Ohne Blut? Nicht sehr lange.«
    »Ich möchte Zahlen hören. Von wie vielen Minuten reden
    wir? Drei? Fünf? Sechs?«
    »Höchstenfalls vier. Warum?«
    »Dann also vier. Nehmen Sie Ihr Armband ab und halten
    Sie es mir an den Mund.«
    Mercier fummelte ungeschickt an seinem Handgelenk
    herum.
    »Verbinden Sie mich mit Clearmountain«, verlangte Gaff-
    ney.
    Der kommissarische Generalpräfekt meldete sich sofort.
    »Hier Clearmountain. Was gibt es, Doktor...?«
    »Hier spricht nicht Mercier. Hier spricht Gaffney.«

    Clearmountain begriff rasch, was das bedeutete. »Mit
    Ihnen hatte ich nicht gerechnet, Sheridan.«
    »Keine Sorge, ich bleibe nicht lange.«
    »Wo sind Sie?«
    »Bei Demikoff im Operationssaal. Ich stehe dicht neben
    Jane. Bisher hat er gute Arbeit geleistet.«
    »Wehe, wenn Sie Aumonier ein Haar krümmen«, warnte
    Clearmountain.
    »Jane wird bestens behandelt. Natürlich nur, wenn Sie
    mich nicht verärgern.«
    »Wir können sicher zu einer Einigung kommen.«
    »Da bin ich ganz anderer Meinung. Ich bin hier fertig.
    Ich habe alle Brücken hinter mir abgebrochen. Auch wenn es Sie vielleicht überrascht, aber ich bin ein vernünftiger Mensch. Ich habe in dem Glauben gehandelt, das Richtige für die Bürger zu tun. Und davon bin ich immer noch überzeugt. Ich hänge an dieser verdammten Organisation oder zumindest an den Werten, die sie früher einmal vertrat.
    Aber ich weiß, dass ich nur dann eine Zukunft habe, wenn Aurora gegen Panoplia gewinnt.«
    »Sie ist eine Maschine, Sheridan. Sie haben sich in den Dienst einer Intelligenz der Alpha-Stufe gestellt, Sie arbeiten für den Geist eines jungen Mädchens, das vor fünfund-fünfzig Jahren hätte sterben sollen.«
    »Was Aurora ist, tut nichts zur Sache. Es kommt allein auf ihre Absichten an.«
    »Sie ist eine Massenmörderin. Wir haben die Bestätigung von Augenzeugen, dass alle Bürger von Haus Aubusson
    kurz nach der Eroberung ermordet wurden.«
    »Netter Versuch«, spottete Gaffney.
    »Es ist die Wahrheit.«
    Mercier glaubte, ein Zucken der Unsicherheit zu spüren, bevor Gaffney antwortete. »Sie will die Menschen schützen.
    Wer das anstrebt, wird wohl kaum anfangen, seine Schützlinge abzuschlachten.«

    »Ich beschwöre Sie, hören Sie auf mich. Aurora ist nicht das, wofür Sie sie halten. Ihr geht es nur um ihr eigenes Überleben.«
    »Wissen Sie«, sagte Gaffney, »ich finde, Sie hätten sich schon etwas Besseres ausdenken können. Ganz ehrlich.
    Glauben Sie, ich würde alles fallen lassen und mich wie ein Hündchen auf den Rücken legen, nur weil Sie mir erzählen, dass ein paar Leute dran glauben mussten?«
    »Ich werde es Ihnen beweisen«, sagte Clearmountain.
    »Sie können mit Präfekt Ng sprechen, sobald sie in Panoplia eintrifft.«
    »Bedauere, aber ich habe nicht vor, so lange zu war-
    ten.« Er ließ Mercier unvermittelt los und stieß ihn so heftig von sich, dass der Arzt über die eigenen Füße stolperte und mit dem Rücken gegen einen Servomaten prallte, der daraufhin mit viel Getöse umfiel. »Gehen Sie zu den ande-
    ren«, sagte er.
    »Sheridan?«, fragte Clearmountain.
    »Ich bin noch da.« Gaffney hatte Mercier das Arm-
    band aus der Hand gerissen, bevor er ihn wegschob. Jetzt legte er es sich selbst ums Handgelenk und sprach weiter.
    »Ich bin im Aufbruch, aber zuvor müssen Sie noch zwei
    Dinge für mich tun. Erstens möchte ich wissen, wo Dreyfus ist.«
    »Das kann ich Ihnen nicht sagen.«
    »Ich stehe knapp einen Meter vom Generalpräfekten ent-
    fernt und halte eine Hundepeitsche in der Hand. Möchten Sie sich die Antwort noch einmal überlegen?«
    Clearmountain antwortete erst nach einer längeren Pause.
    »Dreyfus ist irgendwo im Glitzerband. Ich

Weitere Kostenlose Bücher