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Aurora

Aurora

Titel: Aurora Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alastair Reynolds
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Niemand kam nahe genug an mich heran, aber das
    war nicht der Grund. Ich wollte den Skarabäus nicht sehen, nicht einmal versehentlich. Und nun ist mein Gesicht so alt und hager geworden.«
    »Das gibt sich mit der Zeit.«
    »Halten Sie den Spiegel schräg.«
    Der Hals kam in ihr Blickfeld. Er war wie mit Klammern
    an ihrem Körper befestigt, die Wunde war noch nicht verheilt. Drähte und Schläuche bohrten sich in ihre Haut oder verschwanden in der Lücke zwischen den beiden Haut-lappen.
    »Begreifen Sie jetzt, was wir tun mussten?«, fragte Demikoff.
    »Wie haben Sie ...?«, begann sie.
    »Die Planung war sehr aufwendig, aber die Ausführung
    ging sehr schnell. Sie waren ein paar Sekunden bei Bewusstsein, bevor das Notfallteam Sie erreichte, aber ich glaube nicht, dass Sie sich daran erinnern.«
    Wie ein Blitz überfiel sie die Erkenntnis, dass es sehr wichtig wäre, alles zu vergessen. Aber sie erinnerte sich doch. Sie hatte helle Lichter gesehen und ein besorgtes Gesicht mit vorspringendem Kinn, das sie mit klinischem Interesse musterte. Demikoffs Gesicht. Und dann diese namen-
    lose Kälte, als taste sich das interstellare Vakuum an ihrem Hals empor und strecke seine eisigen Finger in die leere Schädelhöhle.
    Sie wollte nicht, dass Demikoff für den Rest seines Le-
    bens Albträume hatte.
    »Sie haben recht«, sagte sie. »Ich erinnere mich nicht.«

    »Ihr Körper wurde schwer verletzt, aber das lässt sich behandeln. Wir haben die Reste des Skarabäus neutralisiert, und ich hatte die Absicht, Sie im Heilschlaf zu lassen, bis Kopf und Rumpf wieder vollständig zusammengewachsen
    wären. Aber leider gab es eine kleinere Komplikation.«
    »Mit mir?«
    »Nicht unbedingt. Ich werde Ihnen später alles erklären, im Moment brauchen Sie nur zu wissen, dass es Gaffney
    gelungen ist, aus Panoplia zu fliehen. Er hat sich einen Kutter genommen, um Dreyfus zu verfolgen.«
    Sie hatte tausend Fragen, aber die meisten würden war-
    ten müssen. »Woher wusste er denn, wo er ihn suchen
    sollte? Oder hat ihm etwa jemand von Ops Neun erzählt?«
    »Gaffney war sehr ... überzeugend«, antwortete Demi-
    koff. »Clearmountain hatte keine andere Wahl, er musste ihm verraten, wo man das Versteck des Uhrmachers vermutete. Ich hätte an seiner Stelle genauso gehandelt.«
    »Hat Dreyfus sich gemeldet?«
    »Nein. Aber aus dem Zeitplan lässt sich schließen, dass er im Moment vom Absetzpunkt aus zu Fuß zum Stützpunkt unterwegs ist.« Demikoff gab seinem Assistenten den Spiegel zurück. »Das ist allerdings nicht der Grund, warum ich Sie geweckt habe. Wie Sie selbst sehen, sind Kopf und Rumpf noch nicht vollständig wieder vereint, aber wir hatten gute Fortschritte gemacht. Ich bin zuversichtlich, Sie voll und ganz wiederherstellen zu können, nachdem Sie die anstehende Sache erledigt haben.«
    »Was steht denn an, Doktor?«
    »Das sollte Ihnen vielleicht besser der Kommissarische
    Generalpräfekt Clearmountain erklären.« Demikoff deutete auf die Wand, und sofort verwandelte sich ein Bereich in einen Displayschirm, den Aumonier auch im Liegen gut
    sehen konnte. Clearmountain schaute aus dem Taktikraum
    auf sie herab, hinter ihm war noch der Rand des System-
    modells zu erkennen.

    »Kann ich mit ihr sprechen?«, fragte er.
    »Sie ist vollkommen klar«, antwortete Demikoff.
    »Generalpräfekt Aumonier«, sagte Clearmountain mit einem Zittern in der Stimme, »ich bedauere sehr, Sie damit be-helligen zu müssen. Ich habe ihnen versichert, Sie hätten mir die Amtsgeschäfte übertragen, aber sie wollten nicht auf mich hören.«
    »Wer wollte nicht auf Sie hören?«, fragte Aumonier.
    »Sie warten immer noch darauf, mit Ihnen zu sprechen.
    Sie wollen von niemand anderem Anweisungen entgegen-
    nehmen.«
    »Von wem sprechen Sie denn?«
    »Ich kann sie zu Ihnen durchstellen, wenn Sie das wol-
    len.«
    »Wenn Sie mich deshalb aufgeweckt haben, wäre das si-
    cherlich angebracht.«
    Clearmountain verschwand. An seine Stelle trat die Fratze eines Monsters, ein Mann, der einmal ein Mensch gewesen war, aber jetzt durch eine Maske aus ledriger, strahlen-geschädigter Haut und Metallplatten, die mit Gelenken
    verbundenen und mit verschnörkelten Bronzeornamenten
    verziert waren, in die Welt schaute. Anstelle von Augen ragten zwei Teleskopkameras wie Kanonen aus den Höhlen
    hervor. Mit Klebstoff versteifte Dreadlocks sprießten sta-chelgleich aus seinem Schädel.
    »Hier spricht Captain Tengiz vom Lichtschiff Aufsteigender Zorn. Wir sind bereit,

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