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Aurora

Aurora

Titel: Aurora Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alastair Reynolds
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gerade noch rechtzeitig, ihn hineinzubekommen und mit den großen Magneten
    festzuhalten. Sie wissen, wie ein Tokamak funktioniert?«
    »Mehr oder weniger.«
    »Normalerweise schließen die Magneten ein ringförmi-
    ges Plasma ein und halten es von den Wänden fern. Das
    Plasma wird unter Druck auf mehrere hundert Millionen
    Grad erhitzt, bis es zur Fusion kommt. Im Moment findet keine Fusion statt. Außer dem Uhrmacher ist da drin nur hartes Vakuum. Wir mussten die Magnete so konfigurie-ren, dass an einer Stelle eine Flasche entstand, aber das war nicht allzu schwierig.«
    »Versucht er immer noch zu entkommen?« Dreyfus leg-
    te abermals die Hand an die pulsierende Reaktorhülle. Er konnte spüren, wie der Uhrmacher mit aller Kraft die Be-lastbarkeit der magnetischen Fesseln testete.
    »Er gibt niemals auf.«
    Dreyfus schaute durch das Fenster. Zuerst sah er nur tief-blaue Dunkelheit. Dann bemerkte er einen schwachen rosaroten Schein, der rechts von ihm auf die Dunkelheit übergriff. Der Schein flackerte und wurde stärker. Links von ihm nahm Veitch winzige Veränderungen an der Konfiguration der Eindämmungsmagneten vor. Das rosarote Licht
    wurde zu einem flackernden Silberschleier. Das Silber verstärkte sich zu grellem Weiß.
    »Warum leuchtet er?«
    »Das Feld reißt Ionen aus seiner äußersten Schicht, einer Art Plasmakokon. Wenn wir das Feld zusammenbrechen
    lassen, scheint der Uhrmacher das Plasma in sich einzusaugen. Soweit wir feststellen können, erleidet er keinen Nettomassenverlust.«
    »Jetzt kann ich ihn sehen«, sagte Dreyfus sehr leise.
    »Er ist schön, nicht wahr?«
    Dreyfus sagte nichts. Er wusste nicht genau, was er emp-fand. Er hatte oft an den Uhrmacher gedacht, seit er Valery verloren hatte, sich aber niemals näher mit dessen Aussehen beschäftigt. Er hatte sich nur für seine Handlungsweise interessiert, nicht für sein Erscheinungsbild. Aus den Aussagen der Opfer wusste er, dass der Uhrmacher amorph
    war, fähig, seine Gestalt fließend zu verändern oder zumindest diesen Eindruck zu vermitteln. Er wusste auch, dass einige der Überlebenden behauptet hatten, den quecksil-berartigen Verwandlungen liege eine humanoide Gestalt
    zugrunde, eine Art stabiler Attraktor im Herzen eines chao-tischen Prozesses. Aber solche Berichte hatte er kaum zur Kenntnis genommen. Erst jetzt konnte er so richtig würdigen, dass es sich nicht um eine gewöhnliche Maschine handelte, sondern eher um einen Engel aus weißglühendem
    Metall.
    Das Gebilde schwebte im Tokamak, gehalten von magne-
    tischen Feldern, die so stark waren, dass sie dem Wasserstoff die Elektronen entreißen konnten. Jede normale Maschine, alles, was aus gewöhnlicher Materie - ob träge oder aktiv - bestand, wäre von diesen Kräften zugleich zerrissen und verdampft worden. Doch der Uhrmacher hielt stand,
    nur dieser rosa-silberne Schein ließ erahnen, unter welch extremen Belastungen er stand. Die Gestalt hatte entfernte Ähnlichkeit mit einem Menschen: ein Rumpf, Arme und
    Beine, ein angedeuteter Kopf - aber die humanoide Form
    war gespenstergleich in die Länge gezogen. Sie flimmerte, die Einzelheiten verschwammen, Schichten schoben sich
    übereinander, wurden scharf und zerflossen wieder. Für
    eine Sekunde erschien der Uhrmacher wie ein Panzer
    mit Gliedmaßen, zusammengesetzt aus einzelnen mecha-
    nischen Teilen, gleich darauf wurde er zu einem Klumpen Quecksilber mit glatter Oberfläche.
    »Er hat genug gesehen«, sagte Saavedra. »Bring den Uhr-
    macher vom Fenster weg, bevor er uns noch ausbricht.«
    Veitch betätigte die Schalter. Dreyfus sah die Gestalt verschwinden. Er war froh darüber. Obwohl das Gesicht keine Züge hatte, war der Eindruck, es sähe ihn unverwandt an und habe ihn zum Gegenstand seiner künftigen Aufmerksamkeit auserwählt, überwältigend stark gewesen.
    »Damit habe ich meinen Teil unserer Vereinbarung er-
    füllt«, sagte Saavedra. »Und jetzt verraten Sie mir, was Sie über ihn wissen.«
    »Darf ich dann mit ihm reden?«
    »Erst will ich hören, was Sie zu erzählen haben. Um alles andere kümmern wir uns später.«
    »Ich bin nur aus einem einzigen Grund hierher gekom-
    men. Je länger wir zögern, desto schwieriger wird es, Aurora aufzuhalten. Da oben sterben Menschen, während wir hier zaudern.«
    »Sie haben versprochen, uns zu sagen, woher er kommt.
    Danach reden wir weiter.«
    »Er kam nicht aus dem SIKM«, sagte Dreyfus. »Er wurde
    anderswo geschaffen, mehr als zehn Jahre früher.«
    »Könnten Sie

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