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Aurora

Aurora

Titel: Aurora Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alastair Reynolds
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antwortete Dreyfus friedfertig.
    »Ich rede davon...«
    »Sie glauben, es macht für den Uhrmacher irgendeinen
    Unterschied, ob Sie den Käfig öffnen oder ihm Zugriff auf die Datennetze geben?«
    Dreyfus spürte, wie eine Woge der Erschöpfung über ihn
    hereinbrach. Er hatte sein Bestes getan. Er hatte Saavedra und Veitch die Lage erklärt, so gut er konnte, in der Hoffnung, sie würden seine Aufrichtigkeit erkennen und begreifen, dass der Uhrmacher, so sehr ihnen das auch zuwider sein mochte, die einzig wirksame Waffe gegen Aurora war.
    Die Hoffnung hatte sich zerschlagen. Saavedra mochte all-mählich einlenken, zumindest glaubte sie ihm wohl, dass er nicht gekommen war, um das Wesen zu zerstören. Mit
    der Zeit hätte sie sich vielleicht zu seinen Anschauungen bekehren lassen. Aber Veitch zeigte keinerlei Neigung, die Dinge mit Dreyfus' Augen zu sehen.
    »Ich bin hier, um zu verhandeln«, sagte er und streckte wie zur Kapitulation die Hände aus. »Ich hätte Sie und den Uhrmacher töten lassen können. Eine einzige Atomrakete hätte genügt. Glauben Sie, ich wäre hierher gekommen, wenn ich eine andere Möglichkeit gesehen hätte?«

    »Präfekt, hören Sie mir zu«, sagte Veitch. »Ganz gleich, wie schlimm, wie aussichtslos die Lage da oben erscheint, nichts kann so schrecklich sein, dass es rechtfertigen würde, dem Uhrmacher auch nur eine Spur von Freiraum zu lassen. Der Uhrmacher ist das verkörperte Böse, verdammt
    nochmal, begreifen Sie das denn nicht? Er ist ein Teufel in Chrom!«
    »Ich weiß.«
    »Sie können es gar nicht wissen. Niemand weiß es wirklich, der ihn nicht Tag für Tag, Jahr für Jahr unmittelbar erlebt so wie wir.«
    »Ich war dabei«, sagte Dreyfus ruhig.
    »Was heißt, Sie waren dabei?«
    »Beim Sturm auf das SIKM war ich einer der Präfekten,
    die ins Innere vordrangen, bevor das Institut bombardiert wurde.«
    Veitchs Augen huschten nervös zu Saavedra. Dreyfus er-
    kannte diesen Blick. Sie dachten, er sei nicht mehr ganz bei Trost. Als er Sparver ansah, entdeckte er im Gesicht seines ehemaligen Unterpräfekten den gleichen Ausdruck, auch
    wenn das außer ihm niemand bemerkt hätte.
    »Präfekt, wir haben Privilegien, die über Pangolin und
    sogar über Manticore hinausgehen«, antwortete Veitch langsam und in überaus vernünftigem Ton. »Wir wissen alles, was an jenem Tag geschehen ist, bis auf die letzte Minute.
    Wir wissen, wer beteiligt war, wo jedermann war und was er getan hat.«
    »Aber die Fakten wurden geändert«, sagte Dreyfus. »Meine Anwesenheit wurde aus allen Aufzeichnungen gelöscht,
    mit Ausnahme der Dokumente, die einzig und allein für die Augen von Jane Aumonier bestimmt waren. Aber ich war
    dort. Ich wusste bis jetzt nur nicht mehr viel darüber.«
    »Er redet irre«, sagte Veitch.
    »Dusollier hat kurz nach der Uhrmacher-Krise Selbst-
    mord begangen«, fuhr Dreyfus fort, »aber nicht wegen der Entscheidungen, die er selbst getroffen hatte. Er wollte lieber sterben, als sich mit den Folgen der Maßnahmen ausei-nanderzusetzen, die ich mit seiner Einwilligung eingeleitet hatte.«
    »Was für Maßnahmen wollen Sie denn eingeleitet haben?«
    »Es gab an der Unglücksstelle keinen Präfekten von hö-
    herem Rang. Jane war ein Opfer des Uhrmachers geworden.
    Sie war nicht mehr im Spiel. Dusollier gab mir die Genehmigung, ins Institut vorzudringen und alles zu tun, was nötig war, um die noch im Innern befindlichen Personen zu retten.«
    »Und Sie sind gescheitert«, sagte Veitch.
    »Nein. Ich hatte Erfolg. Ich konnte die meisten retten.«
    Dreyfus hielt inne. Es fiel ihm schwer, die Worte laut auszusprechen. Er hatte zwar den Bericht über seine Taten an jenem Tag gelesen, aber erst, als er jetzt selbst darüber sprach, verinnerlichte er vollends, was geschehen war. »Sie haben überlebt. Sie sind noch heute am Leben.«
    »Niemand hat überlebt«, widersprach Saavedra. »Das
    SIKM wurde bombardiert.«
    »Ja, aber erst sechs Stunden, nachdem wir Jane mit dem
    Skarabäus in ihrem Nacken herausgeholt hatten. Was ge-
    schah in diesem Zeitraum? Warum wurde er aus den öf-
    fentlichen Aufzeichnungen gelöscht? Das habe ich mich
    immer gefragt.« Dreyfus lächelte schwach. »Jetzt weiß ich es.«
    »Ist Ihnen wohl eben wieder eingefallen?«, höhnte Saa-
    vedra.
    »Jane hielt es für taktisch sinnvoll, mir die Erinnerungen an meine letzte Konfrontation mit dem Uhrmacher zurückzugeben. Sie wusste, dass es schmerzlich sein würde, bei allem, was sonst noch damit verbunden war.

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