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Aurora

Aurora

Titel: Aurora Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alastair Reynolds
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erdbe-
    benartige Grollen länger. Als die Geschütze die dritte Rakete anvisierten, um sie abzuschießen, herrschte für einen Moment Stille, dann setzte der Lärm wieder ein. »Zweite Rakete zerstört. Dritte gestreift«, meldete Saavedra. Wieder erzitterte der Raum, aber Dreyfus wusste, dass die Geschütze alles tun würden, die dritte Rakete beim zweiten Versuch zu treffen. Sie war beschädigt, fiel aber immer noch auf die Anlage zu.
    »Festhalten«, sagte Veitch.
    Der Einschlag folgte einen Sekundenbruchteil später.
    Dreyfus spürte die Druckwelle in allen Knochen. Ein Don-nerschlag, lauter als die Geschütze, so laut, als stünde er mit ungeschützten Trommelfellen draußen unter Yellowstones giftigem Himmel. Der Stoß war so heftig, als hätte der Raum mit allem, was darin war, einen Satz von mehreren Zentimetern zur Seite gemacht.
    »Eine Stellung zerstört«, sagte Saavedra, als das zugehö-
    rige Symbol rot blinkte und dann erlosch. »Vierte Rakete im Anflug. Geschütze auf Zielerfassung.«
    Das Donnern klang jetzt entfernter: Dreyfus schätzte,
    dass die zerstörte Stellung ihnen am nächsten gewesen und durch einen Volltreffer der beschädigten Rakete ausgeschaltet worden war.
    »Bitte melden Sie mir einen Treffer«, sagte Dreyfus.
    »Streifschuss«, sagte Saavedra. »Versuche Neuerfassung.«
    Die Geschütze grollten. Der Raum erbebte. Dreyfus spür-
    te eine Hilflosigkeit, die ihn zu ersticken drohte. Jetzt bestimmten Maschinen sein Leben: Maschinen und Com-
    puterprogramme. Das System, das die Geschütze steuerte, hatte sich in das System verbissen, das die Bordwaffen des Kutters bediente. Wie bei zwei alten Feinden kannte jedes von beiden die Fähigkeiten des anderen ganz genau. Vermutlich ließ sich errechnen, mit welcher Wahrscheinlichkeit er überleben würde. Ein Gegner wusste zwar schon,
    dass er irgendwann besiegt würde, machte aber der Form
    halber weiter.
    Die vierte Rakete hatte einen großen Teil ihrer Spreng-
    kraft eingebüßt, aber immer noch mit solcher Wucht eingeschlagen, dass die Schäden verheerend waren. Eine ohrenbetäubende Geräuschlawine ergoss sich über den Raum.

    Wieder erbebte alles. Aus der Decke lösten sich große Brocken und krachten zu Boden. In der Wand mit den acht in den Felsen gemeißelten Köpfen klaffte ein tiefer Riss. Die Beleuchtung fiel aus, nur das Holo-Display verbreitete noch sein blassgrünes Licht, und auch das schwankte.
    »Generatorkomplex zerstört«, meldete Veitch resigniert.
    »Wir hätten ihn tiefer vergraben sollen. Ich wollte, dass wir ihn tiefer vergraben«, fügte er grimmig hinzu. Er tippte Befehle in sein Armband. »Ersatzgenerator hätte sich automatisch zuschalten sollen. Wieso funktioniert er nicht?«
    »Fünfte Rakete im Anflug«, sagte Saavedra. Das Holo-
    Display flackerte. »Geschütze versuchen sie zu erfassen.
    Zwei Stellungen zerstört. Was ist mit dem Ersatzgenerator, Simon?«
    »Ich tue, was ich kann«, knirschte er.
    Das Grollen der Geschütze klang wie ein ferner Erd-
    rutsch.
    »Treffer?«, erkundigte sich Veitch.
    »Streifschuss«, antwortete Saavedra.
    Bevor Dreyfus eine Frage stellen konnte, schlug die fünfte Rakete ein. Diesmal war der Krach so laut, dass sie ihn nicht mehr hörten, sondern wie einen Schlag auf den Kopf fühlten. Dreyfus war taub, hatte aber kaum Zeit, sich dessen bewusst zu werden. Die Ereignisse drängten sich in einem einzigen hektischen Moment zusammen. Es wurde dunkel,
    der Raum füllte sich mit schwarzem Staub, der in den Augen und auf der Haut brannte und Kehle und Lungen verätzte.
    Ganz zuletzt sah er, wie sich die Decke, von Sprüngen
    durchzogen, nach unten wölbte. In der bereits gerisse-
    nen Wand öffnete sich ein weiterer Spalt. Und dann erlosch das Licht, der Lärm verstummte, und ihm schwanden die
    Sinne.

    Dreyfus erwachte in einer Welt aus bunten Schmerzen verschiedener Stärke. Im Geiste sah er über seinem Körper
    eine Schmerzkarte flackern wie ein grünes Netz. Irgendwo unten an seinem rechten Bein ballten sich die Konturen zu einem Knoten zusammen und bildeten ein entzündetes
    kleines Auge. Ein zweiter Knoten tobte in seiner Brust links vom Brustbein. Ein dritter am rechten Oberarm. Der Rest war ein einziges Feuer der Qual. Seine Kehle war wie mit Säure verätzt. Seine Lungen schmerzten bei jedem Atemzug, als wären sie mit pulverisiertem Glas ausgekleidet.
    Dennoch konnte er atmen. Das war mehr, als er erwartet
    hätte.
    Er erinnerte sich an den Angriff, hatte aber kein

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