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Aurora

Aurora

Titel: Aurora Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alastair Reynolds
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plötzlich noch einmal gesenkt, der ganze Raum hatte sich mit hellem Staub gefüllt, und er war vorübergehend eingeklemmt worden, doch es war ihm gelungen, sich zu befreien. Anzug und Waffe hatten immer
    noch vor der Metallplastik im Innenhof gelegen, genau da, wo Saavedra ihn und Dreyfus gestellt hatte. Seither schien ein ganzes Leben vergangen zu sein.
    Am Tunnelende hatte er sich tief geduckt unter der Zahnformation der Eiszapfen hindurchgeschoben. Über ihm
    setzte ein tobendes Unwetter ungebändigte Energien frei.
    Wolken rasten, von Blitzen durchzuckt und von unbe-
    kannten chemischen Prozessen zum Brodeln und Flackern
    gebracht, über den Himmel. Doch neben Donner und Stur-

    mesrauschen übertrug sein Anzug noch ein anderes Ge-
    räusch, ein hohes, gleichmäßiges Pfeifen: das schrille Winseln eines Triebwerks. Noch bot ihm die ansteigende Rampe Deckung, er kniete nieder, nahm das Gewehr zwischen die Knie und suchte den schwarzen Himmel ab. Es dauerte
    nicht lange, bis er die Umrisse des wartenden Kutters entdeckte, der mit der Nase nach unten wie ein zustoßender Dolch mit ausgefahrenen und schussbereiten Rumpfge-schützen über ihm schwebte. Sparver erriet, dass Gaffney über den Resten von Ops Neun lauerte, um den Uhrmacher
    auf der Flucht zu erwischen und alles, was er an Feuerkraft noch aufzubieten hatte, in einem einzigen, wahnwitzigen Aufwallen konzentrierter Zerstörungswut auf ihn zu schleudern. Vielleicht rechnete Gaffney gar nicht wirklich damit, den Uhrmacher zu töten, aber er hoffte auf jeden Fall, ihn handlungsunfähig zu machen.
    Sparver klappte den Wetterschutz des Breitenbach-Ge-
    wehrs auf, legte den Lauf mit seiner Batterie empfindlicher Plasma-Emitter und Laservisiere frei und aktivierte die Waffe, obwohl ihm bewusst war, dass der Kutter ihre elektromagnetische Aura ausschnüffeln konnte. Die Waffe sprang an und meldete Feuerbereitschaft. Sparver legte sich den langen Lauf wie eine Bazooka über die Schulter. Auf einem Teil seines Helmvisiers erschienen das anvisierte Ziel und darüber ein Fadenkreuz. Sparver hockte sich langsam auf die Fersen nieder, bis sich der Kutter in der Mitte des Fadenkreuzes befand. Dann drückte er einen Knopf an der Seite des Hauptgriffs und gab der Waffe Anweisung,
    dieses Ziel zu fixieren. Eine pulsierende rote Klammer
    rahmte den Kutter ein und zeigte an, dass das Ziel erfasst war. Sparver spürte, wie sich der Anzug jäh versteifte und seine Haltung korrigierte. Das Gewehr hatte die Kontrolle über die Leistungsverstärkung übernommen; es benützte
    den Anzug als Zielplattform. Sparver hatte nichts mehr mitzureden.

    Das Triebwerksgeräusch des Kutters veränderte sich.
    Sparver sah, wie das Schiff sich drehte und dann auf ihn zuschwebte. Die Geschütze schwenkten langsam herum
    wie ein Nest von Schlangen, die gleichzeitig ein Opfer er-späht hatten. Der Kutter musste ihn entdeckt haben. Gaffney kam näher, um sich zu vergewissern und nicht auf ein falsches Ziel zu feuern. Das Gewehr folgte dem Schiff, Sparvers Anzug veränderte seine Position. Aus der Flanke des Rumpfs schossen stotternde Blitze. Ein Hagel von Schüssen prasselte auf die obere Tunnelkante nieder, die Eiszapfen brachen ab, dann zerbröckelte der Rand darüber. Sparver wurde oberhalb eines Knies getroffen, ein Streifschuss, der wohl vom Boden abgeprallt war. Er wäre beinahe umgefal-len, aber sein Anzug war intakt geblieben.
    Er feuerte rasch hintereinander drei Energiestrahlen ab, bevor er die Kontrolle über seinen Anzug wieder übernahm und sich zurückzog. Treffer bestätigt, teilte ihm die Waffe mit.
    Wieder spähte er über die Rampe. Der Kutter war noch
    in der Luft, aber er schoss nicht mehr. Das Triebwerksge-räusch klang unregelmäßig. Die Geschütze zuckten planlos hin und her und visierten Dutzende von falschen Zielen an.
    Sparver legte sich das Gewehr ein zweites Mal auf die Schulter und feuerte weitere drei Schüsse ab. Diesmal verließ er sich auf die eigenen Zielkünste. Er hatte Gaffneys Rumpf durchlöchert, blutrotes Licht strömte aus der Einschussöffnung. Das Triebwerksgeräusch verstummte.
    Der Kutter stürzte ab.
    Eine Sekunde später spürte Sparver, wie er aufschlug.
    Er stemmte sich ein, aber die Explosion blieb aus. Er wartete eine angemessene Zeitspanne, dann robbte er aus dem zerstörten Tunnel und stapfte, das Gewehr nervös im Anschlag, durch den dicken Staub. Der Kutter lag einen Kilometer entfernt vor dem Haupteingang von Ops Neun, nicht weit von der

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