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Aurora

Aurora

Titel: Aurora Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alastair Reynolds
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Ge-
    spür dafür, wie viel Zeit seit dem Einschlag der letzten Rakete vergangen war. Jetzt war alles still. Nicht unbedingt lautlos, denn ihm dröhnten die Ohren, aber wenn er sich ein wenig bewegte, hörte er sich stöhnen, ganz taub konnte er also nicht sein. Am Ende musste er wohl geschrien haben.
    Er lag ganz ruhig, atmete tief ein und aus und ignorierte die Stiche, die ihm bei jedem Atemzug durch die Rippen
    fuhren.
    Als er wieder etwas klarer denken konnte, zwang er sich, die Augen zu öffnen. Zuerst sah er gar nichts, doch dann nahm er ein schwaches Leuchten wahr. Eine der Holo-Scheiben flackerte noch und warf ein mattes grünliches
    Licht über den mit Trümmern übersäten Raum. Staub und

    Schutt hatten sich weitgehend gesetzt, was den Schluss zuließ, dass seit dem Angriff mehr als nur ein paar Minuten vergangen waren. Seine Augen brannten und tränten, ge-wöhnten sich aber allmählich an das Halbdunkel, so dass er Einzelheiten erkennen konnte. Er lag rücklings auf dem
    Boden, Beine und Hüften waren unter dem Tisch einge-
    klemmt, der beim Einsturz der Decke zusammengebrochen
    war. Dabei waren die Displayscheiben rechts von ihm auf den Boden gefallen, auch der Teil des Tanks, der noch
    leuchtete. Er war gefangen und konnte über das Ausmaß
    seiner Verletzungen nur spekulieren, aber er wusste, dass er sich glücklich preisen durfte, überhaupt noch am Leben zu sein. Hätte ihn der Tisch nicht geschützt, der Schutt, der durch die Decke gekommen war, hätte ihn erschlagen.
    Wieder versuchte er, den rechten Arm zu bewegen. Der
    Schmerzknoten war etwas schwächer geworden, und als
    sich der Arm hob, nahm er das als tröstlichen Hinweis darauf, dass er wohl nicht gebrochen war.
    Er beugte und streckte die Finger, sie krümmten sich wie bleiche Würmer, als gehörten sie nicht zu ihm. Der linke Arm fühlte sich heil an, aber er konnte die Tischkante nicht erreichen. Er stöhnte abermals, der Schmerz in seiner Brust flammte auf, dennoch versuchte er, den rechten Arm so
    weit zu bewegen, dass er den Tisch anheben konnte, um
    vielleicht seine untere Körperhälfte zu befreien. Doch sobald er Druck ausübte, sah er ein, dass es aussichtslos war.
    Der Schmerz in seinem Arm wurde stärker, und der Tisch
    verschob sich um keinen Millimeter. Dreyfus begriff, dass er ohne Hilfe nicht freikommen würde.
    Er schaute zur Seite und versuchte, Schutt und Körper
    voneinander zu unterscheiden. Er fürchtete schon, alle anderen wären bei dem Angriff ums Leben gekommen. Doch
    dann wurde ihm klar, dass außer ihm nur ein Körper im
    Raum war, und der gehörte Simon Veitch. Sparver und Saavedra waren nirgendwo zu sehen.

    »Veitch?«, rief Dreyfus. Das Dröhnen in seinem Kopf war so laut, dass er kaum seine eigene Stimme hörte.
    Veitch antwortete fast sofort. »Präfekt«, sagte er, und es klang so gedämpft, als befände sich eine dicke Schicht Iso-lierglas zwischen ihnen. »Sie sind also am Leben.«
    Dreyfus musste erst Kräfte sammeln, bevor er weiter-
    sprechen konnte. Jedes Wort kostete ihn mehr Energie,
    als er eigentlich entbehren konnte. »Ich bin unter die-
    sem Tisch eingeklemmt. Ich glaube, ich habe mir eine
    Rippe gebrochen, vielleicht auch ein Bein. Wie steht's mit Ihnen?«
    »Schlimmer. Sehen Sie das nicht?«
    Dreyfus' Augen hatten sich endlich an das schwache
    Licht gewöhnt. Ein silbrig glänzendes Rohr, wahrscheinlich eins von denen, die die Agenten von Brandfackel eingezogen hatten, als sie die Anlage wieder in Betrieb nahmen, war von der Decke heruntergebrochen und hatte sich durch Veitchs Schenkel gebohrt.
    »Verlieren Sie Blut?«
    »Das hoffe ich doch.«
    Dreyfus hustete und schmeckte Blut in seinem eigenen
    Mund. »Was wollen Sie damit sagen?«
    »Ich hoffe, dass ich nicht mehr so lange lebe, bis er uns findet.«
    »Dann ist er frei?«
    »Der Ersatzgenerator hätte sofort anspringen müssen, um einen reibungslosen Übergang zu gewährleisten. Das hat er nicht getan. Der Einschluss hat versagt.«
    »Aber wir wissen nicht mit Sicherheit, dass er frei ist. Jemand müsste hinuntergehen...«
    Veitch lachte. Dreyfus hatte noch nie ein so hässliches, so unmenschliches Lachen gehört. »Er ist draußen, Präfekt, keine Sorge. Die Frage ist nur, wie lange er braucht, um uns zu finden. Denn suchen wird er uns, darauf können Sie Ihr Leben verwetten.«

    »Vielleicht ist er auch schon weggelaufen, um sich zu verstecken.«
    »Sie kennen den Uhrmacher nicht. Ich schon.«
    »Und Sie möchten sterben, bevor er

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