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Aurora

Aurora

Titel: Aurora Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alastair Reynolds
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Vernons Blick schien Dreyfus förmlich zu durchleuchten. »Zermalmen Sie mich, wenn es sein muss.
    Aber verschonen Sie Delphine.«
    »Realisierung beenden«, sagte Dreyfus.
    Als Dreyfus wieder allein war, zog er das Notepad zwi-
    schen seinen Knien hervor und begann mit dem antiquier-
    ten Stift, den er allen anderen Methoden vorzog, seine Eindrücke von Vernon einzugeben. Doch etwas hemmte ihn:
    eine kribbelnde Unruhe, die sich nicht unterdrücken ließ.
    Er hatte schon früher Vernehmungen von Beta-Simulatio-
    nen durchgeführt und glaubte, ihre Verhaltensweisen gut genug zu kennen. Er hatte nie eine Seele hinter der Mechanik gespürt und hätte das auch jetzt nicht behauptet. Aber etwas war anders. Er hatte noch nie das Gefühl gehabt, sich das Vertrauen einer Beta-Kopie verdienen zu müssen, und er hatte sich nie überlegt, was es bedeuten mochte, sich dieses Vertrauen verdient zu haben.
    Man vertraute einer Maschine. Aber man erwartete nicht, dass die Maschine das Gefühl erwiderte.
    »Delphine Ruskin-Sartorius realisieren«, befahl Dreyfus.
    Die Frau manifestierte im Vernehmungsraum. Sie war
    größer als Dreyfus und trug einen schlichten weißen Kittel und weiße Hosen. Die Ärmel waren bis zu den Ellbogen

    aufgekrempelt, die Hosenbeine bis zu den Knien. Die Füße steckten in flachen weißen Slippern, die Arme hatte sie vor der Brust verschränkt. Sie stand, das Gewicht auf ein Bein verlagert, etwas zur Seite geneigt, als warte sie auf etwas.
    Silberne Armbänder um ihre Handgelenke waren ihr ein-
    ziger Schmuck. Ihr herzförmiges Gesicht war reizlos, ohne geradezu hässlich zu sein. Sie hatte klare, aber nicht sehr ausgeprägte Züge und war ungeschminkt. Die Augen waren
    von einem sehr hellen Meergrün. Das straff nach hinten ge-raffte Haar wurde, wie es aussah, von einem schmutzigen Fetzen zusammengehalten. Ein paar Löckchen hatten sich
    gelöst und umspielten ihre Wangen.
    »Delphine?«, fragte Dreyfus.
    »Ja. Wo bin ich?«
    »Sie sind in Panoplia. Ich habe leider eine schlechte Nachricht für Sie. Ruskin-Sartorius wurde zerstört.«
    Delphine nickte, als hätte sie insgeheim schon so etwas befürchtet. »Ich habe Ihre Kollegin nach Vernon gefragt. Sie wollte mir nichts sagen, aber ich habe zwischen den Zeilen gelesen. Ich wusste, dass etwas Schlimmes geschehen sein musste. Hat Vernon...?«
    »Vernon ist tot. Alle anderen auch. Es tut mir sehr leid.
    Aber es ist uns gelungen, Vernons Beta-Kopie zu bergen.«
    Sie schloss kurz die Augen und öffnete sie wieder. »Ich möchte mit ihm sprechen.«
    »Das ist nicht möglich.« Aus einer spontanen Regung he-
    raus fügte Dreyfus hinzu: »Jedenfalls nicht gleich. Später vielleicht. Zuerst muss ich mit Ihnen allein sprechen. Was der Blase zugestoßen ist, sieht nicht nach einem Unfall aus.
    Es war Absicht, eines der schlimmsten Verbrechen, die seit den Achtzig begangen wurden. Ich will dafür sorgen, dass Gerechtigkeit geschieht. Aber dabei bin ich auf die uneingeschränkte Unterstützung aller überlebenden Zeugen ange-
    wiesen.«
    »Sie sagten doch, es gebe keine Überlebenden.«

    »Wir haben lediglich drei Beta-Kopien. Ich denke, ich
    kann mir allmählich zusammenreimen, was geschehen ist,
    aber Ihre Aussage ist genauso wichtig wie die der beiden anderen.«
    »Ich werde helfen, so gut ich kann.«
    »Ich muss wissen, was ganz am Ende passierte. Soviel ich weiß, hatten Sie die Hoffnung, einige Ihrer Werke an einen Dritten zu verkaufen.«
    »Dravidian, richtig.«
    »Erzählen Sie mir alles, was Sie über Dravidian wissen, von Anfang an. Und dann erzählen Sie mir etwas über Ihre Kunst.«
    »Was ist Ihnen an meiner Kunst so wichtig?«
    »Sie steht mit dem Verbrechen in Zusammenhang. Ich
    habe das Gefühl, ich müsste mehr darüber erfahren.«
    »Nur deshalb? Nicht etwa aus Interesse für die Kunst im Allgemeinen?«
    »Ich habe einen eher schlichten Geschmack.«
    »Aber Sie wissen doch, was Ihnen gefällt?«
    Dreyfus schmunzelte. »Ich habe die Skulptur gesehen, an der Sie gearbeitet haben ... die große mit dem Gesicht.«
    »Und wie hat sie auf Sie gewirkt?«
    »Sie hat mich verwirrt.«
    »Das sollte sie auch. Vielleicht ist Ihr Geschmack doch nicht so schlicht, wie Sie glauben.«
    Dreyfus sah sie eine Weile schweigend an, bevor er sagte:
    »Sie nehmen es anscheinend ziemlich leicht, dass Sie tot sind, Delphine.«
    »Ich bin nicht tot.«
    »Ich bin dabei, Ihre Ermordung zu untersuchen.«
    »Und das mit Fug und Recht - eine Version von mir wurde getötet. Aber

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