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Aurora

Aurora

Titel: Aurora Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alastair Reynolds
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falls die Atomraketen nicht zündeten. Das Lichtschiff mit den Schleppern auf eine sichere Flugbahn zu
    bringen war nicht möglich; bestenfalls konnte man es auf einen der weniger dicht bevölkerten Orbits richten und hoffen, dass es durch die Lücken zwischen den Habitaten hin-durchtrieb. Von hier aus betrachtet war das Glitzerband ein glatter, flacher Ring aus mattem Silber: Die hellen Pünktchen der zehntausend Habitate verschmolzen zu einem
    einzigen Lichtbogen.
    Dreyfus sagte sich immer wieder vor, dass dieser Ring zumeist aus Leerräumen bestand, aber seine Augen wollten
    ihm nicht glauben.
    »Wie lange?«, fragte er.
    »Sie haben noch knapp eine Stunde, Sir«, teilte Pell ihm mit.

    »Suchen Sie mir eine Luftschleuse möglichst dicht am
    vordersten Kilometer des Schiffs. Wenn es Überlebende gibt, werden sie sich dort aufhalten.«
    Pell zögerte. »Sir, bevor Sie an Bord der Kiste gehen, sollten Sie sich das ansehen. Wir haben eben ein Radiosignal aufgefangen, das stärker war als alles, was wir beim Anflug gehört haben.«
    »Was für ein Signal?«
    »Nur Sprechfunk. Sehr schwach, aber wir konnten es
    dennoch recht gut orten. Der Ausgangspunkt fiel zusam-
    men mit einem der Wärmefelder, die wir bereits überwa-
    chen.«
    »Sie sagten doch, Sie könnten wegen des thermischen
    Rauschens keine Wärmefelder sehen?«
    »Ich sprach von Wärmefeldern im Innern des Schiffs, Sir.
    Dieser Hotspot befindet sich außerhalb.«
    »Also ist doch jemand entkommen?«
    »Nicht unbedingt, Sir. Es ist, als wäre das Feld außen an der Rumpfoberfläche. Wenn wir etwas näher herangehen,
    müssten wir Ihnen ein Bild liefern können.«
    Pell manövrierte den Kreuzer an die Von Schatten Begleitet heran. Es war eine heikle Operation. Obwohl der Rumpf inzwischen stabilisiert und vermutlich vollkommen luftleer war, verkochten auch weiterhin die Wasserreserven, und
    aus dem Wrack quollen reichlich Dampfschwaden ins All.
    Mit dem Dampf wurden ständig Schuttfontänen ausgesto-
    ßen, von daumengroßen blitzenden Scherben bis hin zu
    verformten Metallbrocken von Häusergröße, die mit nerv-
    tötendem Klirren und Scheppern auf die Außenhülle zu-
    rückfielen. Gelegentliche Rülpser im Infraschallbereich zeigten an, dass die Automatikgeschütze der Demokratiezirkus eines der größeren Trümmer abgeschossen hatten.
    Noch fünfundvierzig Minuten.
    »Ich habe das Audiosignal isoliert, Sir«, meldete Pell. »Soll ich es abspielen?«

    »Nur zu«, sagte Dreyfus finster.
    Als das Signalfragment durch die Sprechanlage des Kreu-
    zers kam, verstand er, warum Pell gezögert hatte, es ohne Vorwarnung zu übertragen. Es war nur sehr kurz, wie
    ein Zufallsgeräusch, das man beim Absuchen der Radiofrequenzen aufgefangen hatte, aber durchsetzt von einem un-säglich dumpfen Grauen, das Dreyfus durch Mark und Bein ging. Ein Aufschrei des Entsetzens oder der Qual, vielleicht auch beides; die Stimme eines Menschen in abgrundtiefer Not. Ein ganzes Universum des Elends war in diesem Fragment eingeschlossen; und es stieß im Geist jedes Zuhörers eine Tür auf, die gewöhnlich fest verschlossen und verrie-gelt war.
    Nie wieder wollte Dreyfus solche Laute hören.
    »Kann ich das Bild schon sehen?«
    »Wir sind gleich so weit, Sir. Ich projiziere es an die Wand.«
    Auf einem Teil des durchsichtigen Rumpfes erschien ein
    Bild des Lichtschiffbugs, das sich schwindelerregend schnell vergrößerte. Dreyfus war im ersten Moment verwirrt, denn der Schiffsrumpf war so reich gegliedert wie ein gotischer Turm. Doch dann entdeckte er ein Objekt, das fehl am Platz war.
    Auf dem Rumpf klebte eine Gestalt im Raumanzug. Arme
    und Beine waren gespreizt, als hätte man sie festgenagelt.
    Ks gab nicht den Schatten eines Zweifels. Dreyfus wusste, dass er Captain Dravidian vor sich hatte.
    Und dass Captain Dravidian noch am Leben war.
    Die Ultras hatten ganze Arbeit geleistet. Sie hatten die Ex-tremitäten ihres Opfers an den Rumpf geschlagen, der Kopf schaute zum Bug. Durch die Panzerung seines Raumanzugs waren Klammern in Unterarme und Waden geschos-
    sen oder gerammt und dann in den Rumpf des Raumschiffs
    getrieben worden. Für Dreyfus sahen diese Klammern ge-

    nauso aus wie die Eisenanker, mit denen man Schiffe an
    Asteroiden oder Kometen festmachte: Sie hatten Hyperdiamantspitzen und scharfe Widerhaken, die verhindern sollten, dass sie sich versehentlich lösten.
    Die Eintrittswunden waren mit schnell härtender Dich-
    tungsmasse verschlossen worden, so dass kein

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