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Aurora

Aurora

Titel: Aurora Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alastair Reynolds
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von Wand zu Wand, manche hingen durch oder
    waren bereits eingestürzt. Schaufenster waren zerbrochen oder von dichten Schimmel- oder Algenkolonien überwu-chert. In einigen Läden konnte man unter dichten Spinn-
    weben unverkaufte Ware erahnen.
    Thalia war dieser Ort ganz und gar nicht geheuer, und sie war froh, als sie auf der anderen Seite einen weiteren Tunnel entdeckte. Die Hundepeitsche schlich vor ihr her, die Schnur schabte mit rhythmischem Zischen über den Boden.
    Plötzlich war sie verschwunden.
    Gleich darauf hörte Thalia ein Geräusch, als würden zwei Metallbleche aneinander geschlagen. Vorsichtig umrundete sie die Biegung und sah, dass sich die Hundepeitsche um einen Roboter geschlungen und ihn bewegungsunfähig gemacht hatte. Die Maschine war auf die Seite gekippt, ihre gummibereiften Räder drehten sich noch. Thalia trat näher, stellte den Zylinder ab und untersuchte den Roboter auf Waffen, aber es schien sich nur um einen Allzweck-Servomaten altertümlicher Bauart zu handeln.
    »Gib ihn frei!«, befahl sie.
    Die Hundepeitsche rollte die Schnur ein und zog sich zu-rück, aber das Scannerauge blieb auf den Roboter gerichtet.
    Der fuhr Teleskopstangen aus und richtete sich mühsam
    auf. Auf dem Fahrwerk erhob sich eine schlanke Säule, aus der ohne ersichtliche Ordnung und Symmetrie Äste und
    Sensoren sprießten.
    »Ich bin Thalia Ng von Panoplia, Unterpräfekt im Außen-
    dienst«, stellte sie sich vor. »Und woher kommst du?«
    Der Roboter hatte eine verwirrend sonore, gefühlvolle
    Stimme. »Willkommen im Karussell New Seattle-Tacoma,
    Unterpräfekt Ng. Ich hoffe, Sie hatten eine angenehme Reise.
    Bitte entschuldigen Sie meine Verspätung. Ich habe den Auftrag, Sie zum Partizipationsprozessor zu begleiten.«
    »Ich hatte gehofft, mit dem Bürger Orson Newkirk spre-
    chen zu können.«
    »Orson Newkirk befindet sich im Partizipationsprozes-
    sor. Kann ich Ihnen mit Ihrem Gepäck behilflich sein?«
    Thalia schüttelte den Kopf. »Ich komme schon zurecht«,
    sagte sie.
    »Wie Sie wünschen, Unterpräfekt Ng. Bitte folgen Sie mir.«
    »Wieso ist denn niemand hier? Ich dachte, das Habitat
    hätte eine Bevölkerung von eins Komma drei Millionen.«
    »Nach letzter Zählung beläuft sich die Bevölkerung auf
    eine Million zweihundertvierundsiebzigtausendsechshundertachtzehn Bewohner. Sie sind alle im Partizipationsprozessor erfasst.«
    »Du sagst das Wort immer wieder - was ist denn ein >Partizipationsprozesson?«
    »Bitte folgen Sie mir.«
    Der Roboter machte auf dem nassen Boden so ruckartig
    kehrt, dass die Reifen quietschten, und rollte, eine Wolke von Schmorgeruch hinter sich herziehend, gemächlich den Korridor hinab.
    Jane Aumonier lächelte Dreyfus aus siebeneinhalb Metern Entfernung verkrampft zu. »Sie sind wie ein Hund, der
    einen Knochen wittert, Tom. Nicht alles im Leben ist Verschwörung. Manchmal schnappt einfach jemand über und
    begeht eine Dummheit.«

    »Dravidian schien mir weder übergeschnappt noch dumm
    zu sein.«
    »Dann eben jemand von seiner Besatzung.«
    »Alles war genau geplant. Laut Drehbuch sollte der An-
    griff wie eine spontane Aktion aussehen, eine Affekthandlung, dabei war er schon beschlossene Sache, bevor Dravidian und Delphine sich zum ersten Mal begegneten.«
    »Meinen Sie wirklich?«
    Dreyfus hatte soeben in seiner Wohnung das System-
    modell abgerufen und die Konfiguration des Glitzerban-
    des auf den Zeitpunkt zurückgestellt, zu dem nach Aus-
    sage von Delphine Ruskin-Sartorius der Anruf eingegangen war. Dann hatte er die Daten an Thalias Kutter geschickt, wo sie nun darauf warteten, dass sie von der Installation des Updates zurückkehrte und sich mit ihnen beschäftigte.
    »Sie haben meinem Instinkt bisher immer vertraut«, sagte Dreyfus. »Und dieser Instinkt sagt mir, dass hier etwas vorgeht, was wir nicht merken sollen.«
    »Haben Sie mit den Betas gesprochen?«
    »Sie können sich nicht vorstellen, wer ihrer Familie so etwas antun würde.«
    »Sie haben also keinen Hinweis auf ein mögliches Motiv?«
    »Bisher noch nicht. Aber eines kann ich Ihnen sagen.
    Wenn jemand nur der Familie hätte schaden wollen, hätte er jede Menge anderer Mordwaffen benützen können, ohne
    eine ganze Kette von Spuren zu hinterlassen.«
    »Mag sein ...« Aumoniers Ton war unverbindlich, sie
    wollte ihm zeigen, dass sie nur diskussionshalber auf seine Theorie einging.
    »Aber der unbekannte Täter wollte nicht nur die Familie treffen. Er tötete alle Bewohner des Habitats und

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