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Aurora

Aurora

Titel: Aurora Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alastair Reynolds
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sie.
    »Die vorhandenen Gelder müssen möglichst rentabel ein-
    gesetzt werden. In Sea-Tac leben mehr als eine Million Bürger. Wenn jeder einzelne die Masse und Energie eines Erwachsenen beanspruchen würde, müssten wir so viel Geld
    für Essen und Trinken ausgeben, dass für Datenverkehr
    nichts mehr übrig bliebe.«
    »Für Datenverkehr?«
    »Ich spreche natürlich von Abstraktion«, sagte Newkirk
    so verwundert, als verstünde sich das von selbst.

    »Aber Sie haben hier keine Abstraktion. Meine Spezialbrille war tot.«
    »Das liegt daran, dass Sie sich außerhalb des Partizipationsprozessors befanden. Der ist stark abgeschirmt. Wir vergeuden kein Watt dafür, die Abstraktion in Bereiche aus-zustrahlen, wo sie nicht gebraucht wird.«
    »Wo sind denn die anderen Bürger?«, unterbrach sie ihn.
    »Wir sind alle hier.«
    Scheinbar unendlich weit über Thalia gingen Scheinwer-
    fer an und verströmten ihr Licht. Zahllose Terrassen mit vielen Nischen wurden sichtbar, jede mit einem Glaskasten ähnlich dem, der Newkirks Heimstatt war. So viel Platz hatte das ganze Habitat nicht, dachte sie, bevor ihr aufging, dass sie wohl durch eine der Speichen bis zur schwerelosen Nabe im Zentrum schaute.
    »Warum haben Sie sich das angetan?«
    »Das ist nicht die richtige Frage. Wollen Sie nicht lieber wissen, wen Sie umbringen müssen, um aufgenommen zu
    werden?«
    Sie grinste nervös. »Nein, danke.«
    »Sie haben eine Ahnung, was Ihnen entgeht.«
    »Mag sein. Ich weiß aber, dass ich gerne einen Körper
    habe, mit dem ich herumlaufen und atmen kann.«
    »Das heißt, Sie wissen nicht, was Abstraktion ist. Wenn Sie eine Kostprobe davon genommen haben, bevor Sie Prä-
    fekt wurden, ist die Erinnerung daran inzwischen sicher fast verblasst. Ein Blick auf das Himmelstor durch eine Wolkenlücke. Bevor sich die Wolken wieder schlossen.«
    »Ich habe die Abstraktion ausprobiert - ich hatte Implantate, bevor ich zu Panoplia kam.«
    »Sie haben sie ausprobiert, gewiss. Aber das höchste
    Glück der totalen Immersion können Sie erst in Sea-Tac erleben.«
    Thalia blickte durch den leeren Raum auf die Kästen an
    der Wand gegenüber mit ihrer endlose Parade menschlicher Büsten. »Sie sind alle anderswo, nicht wahr? Im Geiste, meine ich. Ihr Bewusstsein ist nicht in Sea-Tac.«
    »Wozu denn auch? Unsere Bürger sind die einzig wahren
    Bürger des Glitzerbandes, die einzigen, die es wirklich bewohnen. Ihre Bewusstseine sind jetzt dort draußen, Tha-
    lia, sie verbreiten sich über den ganzen yellowstonenahen Raum, ein unsichtbarer Engelschor in der Architektur, der singt den Leib, den elektrischen*.«
    »Sie haben einen hohen Preis dafür entrichtet.«
    »Und wir hätten mit Freuden auch das Zehnfache be-
    zahlt.«
    »Ich sollte mich wirklich an das Update machen«, sagte
    Thalia.
    »Der Votenprozessor befindet sich auf dem Grund des
    Schachts. Folgen Sie dem Laufsteg, er bringt Sie in zwei Wendelungen hinunter.«
    Thalia befolgte die Anweisungen des Bürgers Newkirk.
    Als sie unten ankam - Newkirk schwebte so weit mit, bis er sich nur noch einen Meter über dem Boden befand -,
    streckte sie den rechten Arm aus und rief ihre Hundepeitsche zurück. Die Schnur wurde mit einem Überschallknall eingezogen, und der Schaft sprang ihr in die Hand. Thalia befestigte die Waffe wieder an ihrem Gürtel.
    »Ich will Ihnen kurz erklären, was ich zu tun habe. Ich werde ein zehnminütiges Zugriffsfenster auf die Betriebs-architektur des Votenprozessors eröffnen.« Thalia klopfte auf den mitgebrachten Zylinder. »Dann werde ich eine
    kleine Softwarekorrektur durchführen. Die Abstraktion wird höchstens für ein paar Millisekunden abgeschaltet.« Sie warf einen Blick auf die Büsten an der Wand. »Sie werden wahrscheinlich gar nichts davon mitbekommen, nicht wahr?«

    »Ein paar Millisekunden nur? Wohl kaum. Und wenn
    doch, dann gleicht die Puffersoftware in ihren Implantaten alle Störungen aus.«
    »Worauf warten wir dann noch?«
    Thalias Zylinder öffnete sich wie ein Zauberkasten. Viele Fä-
    cher mit Spezialwerkzeugen und farbcodierten Datendisketten kamen zum Vorschein. Sie zog den ersten der vier Einmalschlüssel heraus und hielt sich das Rechteck vor die Augen. Auf einen Fingerdruck flossen Textzeilen über die Oberfläche.
    »Ich bin Unterpräfekt im Außendienst Thalia Ng. Bestä-
    tige Abschaltung der Sicherheitsfunktionen unter Redlichkeit Drei Saxifraga.«
    »Abschaltung bestätigt«, antwortete das Gerät. »Sie haben jetzt für

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