Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Aurora

Aurora

Titel: Aurora Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alastair Reynolds
Vom Netzwerk:
seinem Gedächtnis auf die Sprünge.
    Die Schleier waren weit draußen im interstellaren Raum, Lichtjahre von Yellowstone entfernt. Man hatte sie in jeder Richtung gefunden: lichtlose schwarze Kugeln unbekannter Zusammensetzung, größer als Sterne. Wahrscheinlich
    gingen sie auf Aliens zurück: Deshalb wurden die hypothetischen Erbauer auch Schleierweber genannt. Aber niemand hatte jemals Kontakt zu einem solchen Schleierweber aufgenommen, niemand hatte auch nur eine entfernte Vorstellung, wie diese Aliens, falls sie nicht längst ausgestorben waren, beschaffen sein mochten.
    Das Problem mit den Schleiern war, dass nichts, was man zu ihnen schickte, wieder heil zurückkam. Wenn Sonden

    und Schiffe die Forschungsstationen überhaupt wieder erreichten, waren sie bis zur Unkenntlichkeit verstümmelt.
    Niemals brachten sie brauchbare Informationen mit. Fest stand lediglich, dass bemannte Schiffe häufiger und weniger ramponiert zurückkehrten als Roboter. Die Schleier mochten nicht unbedingt Achtung vor dem Leben haben,
    aber ihre Zerstörungswut schien bei Lebewesen doch etwas geringer zu sein. Dennoch kamen die Menschen meistens
    tot zurück, und ihr Gehirn war so zermalmt, dass nicht einmal mehr ein Autopsie-Trawl möglich war.
    Manchmal gab es jedoch eine Ausnahme.
    Lascailles Schleier, so entnahm Sparver dem Notepad,
    war nach dem ersten Menschen benannt, der bis an seine
    Grenze geflogen und lebend zurückgekehrt war. Philip Lascaille war allein aufgebrochen, ohne Erlaubnis der For-
    schungsstation, in der er arbeitete. Wider Erwarten war er, äußerlich intakt an Körper und Geist, zurückgekehrt. Was freilich nicht hieß, dass er nicht trotzdem einen schreck-lichen Preis bezahlt hatte. Lascaille war stumm gewesen, nicht bereit oder imstande, über seine Erlebnisse zu sprechen. Die Fähigkeit, zu anderen Menschen emotional in
    Kontakt zu treten, war autistisch verkümmert. Einem heiligen Narren gleich, kritzelte er unentwegt verschlungene Kreidezeichnungen auf die Betonplatten. Nachdem man
    ihn ins Sylveste-Institut für Schleierweber-Studien zurückgebracht hatte, wurde er zu einer Kuriosität, und das Interesse an ihm ließ allmählich nach.
    Damit war ein Rätsel gelöst, aber die Lösung warf mehr
    Fragen auf, als sie beantwortete. Warum hatte sich Del-
    phine - so viele Jahre nach Lascailles Rückkehr - gerade dieses Thema ausgesucht? Und warum hatte ihre Entscheidung für ein Portrait von Lascaille ein Werk von so hoher emotionaler Resonanz hervorgebracht, während ihre früheren Schöpfungen keinerlei Gefühle angesprochen hatten?
    Dazu hatte das Notepad nichts zu sagen.

    Sparver aß weiter und überlegte, wie weit ihm Dreyfus
    mit seinen Recherchen inzwischen wohl voraus war.
    Er spürte immer noch die Blicke im Nacken.
    »Wieder zurück von den dringenden Angelegenheiten, zu
    denen Sie beim letzten Mal abberufen wurden, Präfekt
    Dreyfus?«, erkundigte sich Delphine Ruskin-Sartorius' Beta-Kopie.
    »Ich bedauere«, sagte Dreyfus. »Es gab eine neue Ent-
    wicklung.«
    »In Zusammenhang mit der Blase?«
    »Wohl schon.« Sein Instinkt sagte ihm, dass Delphine
    nicht in allen Einzelheiten zu erfahren brauchte, was mit Captain Dravidian geschehen war. »Aber der Fall ist noch nicht abgeschlossen. Ich würde mich gern eingehender mit Ihnen darüber unterhalten, wie es dazu kam, dass das Geschäft platzte.«
    Delphine schob eine Haarsträhne unter das schäbige
    Band, das sie um den Kopf trug. Sie war noch ebenso ge-
    kleidet wie bei der letzten Realisierung: weißer Kittel und weiße Hosen, die Ärmel bis zu den Ellbogen, die Hosen bis zu den Knien aufgekrempelt. Wieder fielen Dreyfus die hellen Augen und die puppenhaften Gesichtszüge auf.
    »Wie viel hat Vernon Ihnen schon erzählt?«, fragte sie.
    »Ich weiß, dass jemand Sie anrief, und dass Dravidians
    Angebot daraufhin nicht mehr in Betracht kam. Nun hätte ich gerne erfahren, wer dieser geheimnisvolle Anrufer war.«
    »Ein Vertreter einer anderen Ultra-Gruppe, der Dravidian eins auswischen wollte. Spielt das denn jetzt noch eine Rolle?«
    »Tun Sie mir einen Gefallen«, bat Dreyfus. »Lassen Sie
    uns für einen Moment davon ausgehen, dass Dravidian zum Prügelknaben gemacht wurde, dass es nur so aussehen
    sollte, als hätte er Ihr Habitat absichtlich angegriffen. Wer hätte Gründe gehabt, Ihrer Familie schaden zu wollen?«

    Ihr Blick wurde misstrauisch. »Aber es war ein Racheakt, Präfekt. Was sollte es denn sonst sein?«
    »Ich möchte mir nur den

Weitere Kostenlose Bücher