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Aurora

Aurora

Titel: Aurora Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alastair Reynolds
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in Ruhe gelassen hätte?«
    »Mit Lascaille?«
    »Warum nicht? Der Mann kam als Geistesgestörter zu-
    rück, kaum fähig, selber zu essen. Es heißt, er wäre im Sylveste-Institut für Schleierweber-Studien ertrunken. Einige der anderen Organisationen, die sich für die Schleierweber interessierten, bedauerten das sehr. Sie hatten seit langem darauf gelauert, Lascaille selbst in die Hand zu bekommen, um in seinen Schädel schauen und herausfinden zu können, was zum Teufel er erlebt hatte. Dann wurde bekannt gegeben, er hätte sich in einem Goldfischteich ertränkt.«
    »Er war höchstwahrscheinlich sehr selbstmordgefährdet.
    Oder wollen Sie etwa unterstellen, jemand hätte ihn ermordet?«
    »Ich sage nur, dass sein Tod dem Haus Sylveste nicht gerade zur Ehre gereichte.«
    »Sie vermuten also - nur damit wir uns richtig verste-
    hen -, jemand hätte mich und meine Familie getötet und

    obendrein das Habitat mit allen Bewohnern zerstört, weil ich die Verwegenheit besessen hatte, mich mit meinem
    Werk auf Philip Lascaille zu beziehen?«
    »Es ist nur eine Theorie. Wenn ein Angehöriger der Familie Sylveste Ihre Kunst als verhüllte Kritik an deren Verhalten verstand, wäre es durchaus denkbar, dass er Vergeltung suchte.«
    »Aber wenn ich diesen Jemand so wütend gemacht hatte,
    warum tötete er nicht einfach nur mich?«
    »Ich weiß es nicht«, gab Dreyfus zu. »Aber es wäre eine Hilfe, wenn ich wüsste, dass Sie nicht beabsichtigt hatten, die Sylvestes mit Ihrem Werk in Verlegenheit zu bringen.«
    »Und wenn schon, wäre das denn ein Verbrechen gewe-
    sen?«
    »Nein, aber wenn Sie es darauf angelegt hätten, mit dem Werk zu provozieren, könnte man verstehen, wenn Ihnen
    das auch gelungen wäre.«
    »Zu den Motiven der Familie Sylveste kann ich Ihnen
    nichts sagen.«
    »Aber Sie können mir sagen, warum Sie sich Lascaille
    ausgesucht haben.«
    Sie sah ihn strafend an, als hätte sie ihn nun endgültig durchschaut. »Und Sie glauben, das ist so einfach? Glauben Sie, ich könnte die Gründe einer solchen Entscheidung so ohne Weiteres darlegen, als wären sie so einfach und unkompliziert wie die Wahl der Farbe eines Stuhls?«
    »Ich behaupte ja gar nicht...«
    »Sie haben herzlich wenig Ahnung vom künstlerischen
    Schaffensprozess, Präfekt. Es ist ein Jammer; Sie tun mir leid. Was haben Sie nur für ein düsteres, mechanistisches Weltbild? In welch einem bedrückenden, reglementierten, seelenlos berechenbaren Universum leben Sie? Die Kunst -
    alles, was nicht streng nach Ursache und Wirkung abläuft -
    ist Ihnen vollkommen fremd, nicht wahr?«

    »Immerhin kannte ich meine Frau«, sagte Dreyfus ruhig.
    »Wie bitte?«
    »Sie war Künstlerin.«
    Delphine sah ihn lange an, ihre Züge wurden weicher.
    »Was ist mit ihr?«, fragte sie.
    »Sie ist gestorben.«
    »Das tut mir leid«, sagte Delphine. Dreyfus hörte aufrichtiges Bedauern aus ihrer Stimme. »Meine Bemerkung eben -
    war grausam und überflüssig.«
    »Sie hatten recht. Ich habe keine künstlerische Ader. Aber ich habe mit meiner Frau lange genug zusammengelebt,
    um eine Ahnung vom Schaffensprozess eines Künstlers zu
    bekommen.«
    »Wollen Sie mir nicht erzählen, was mit ihr geschehen
    ist?«
    Dreyfus' Lächeln war hart wie Stahl. »Quid pro quo, so
    war doch die Vereinbarung?«
    »Ich brauche nicht zu wissen, was mit Ihrer Frau passiert ist. Sie dagegen müssen wissen, was es mit meiner Kunst auf sich hat.«
    »Aber Sie sind neugierig. Das spüre ich.«
    Sie schnaubte hörbar durch die Nase aus und schaute auf ihn herab. »Sagen Sie mir, welcher Art von Kunst sie sich verschrieben hatte.«
    »Valery war nicht außergewöhnlich begabt«, sagte Drey-
    fus. »Das hatte sie früh genug festgestellt, so dass sich ihre Trauer und Enttäuschung bei der Konfrontation mit echter Genialität in Grenzen hielten. Sie suchte dennoch einen Weg, die Kunst zum Beruf zu machen.«
    »Und?«
    »Mit Erfolg. Valery entwickelte ein Interesse für die krea-live Betätigung von Maschinenintelligenzen. Sie machte es sich zur Aufgabe zu beweisen, dass deren Werke die gleiche künstlerische Berechtigung hätten wie alles, was von Menschen geschaffen wurde; dass der schöpferische Funke nicht unbedingt von einem Gehirn aus Fleisch und Blut ge-nährt werden müsse.«
    »Sehr beruhigend, wenn man bedenkt, dass auch meine
    Intelligenz nichts mehr mit Fleisch und Blut zu tun hat.«
    »Valery hätte darauf bestanden, dass Ihre Kunst jetzt
    ebenso ernst zu nehmen wäre wie zu Ihren

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