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Aurora

Aurora

Titel: Aurora Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alastair Reynolds
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Lebzeiten. Aber sie war weniger an den Produktionen von Beta-Kopien interessiert als an Werken von Intelligenzen ohne menschliche Originale. So kam sie ans SIKM.«
    »Den Namen habe ich schon gehört.«
    »Das Sylveste-Institut für Künstliche Mentalisierung.«
    »Wieder diese Familie.«
    »Ja, sie taucht andauernd auf.«
    »Was hatte Ihre Frau dort zu tun, Präfekt Dreyfus?«
    »Im SIKM experimentierte man mit Maschinenintelligen-
    zen auf der Basis verschiedenster neuronaler Architekturen. Valery war dem Labor für Kognitive Forschung zuge-
    teilt, einer Abteilung innerhalb des Instituts. Sie hatte die Aufgabe, das kreative Potenzial der neu entstandenen Bewusstseine zu beurteilen. Das Ziel war die Entwicklung
    einer Generation von Gamma-Intelligenzen, die fähig wären, Probleme nicht durch schrittweise Analyse, sondern mit
    einem intuitiven Sprung zu lösen. Kurz gesagt, man wollte Gamma-Persönlichkeiten, die nicht nur die Turing-Tests bestanden, sondern die Fähigkeit zu intuitivem Denken besa-
    ßen.« Dreyfus tippte sich mit dem Finger an die Oberlippe.
    »Valery versuchte, diese Maschinen zu bewegen, künstle-
    risch tätig zu werden. Bis zu einem gewissen Grad hatte sie auch Erfolg. Die Ergebnisse ähnelten allerdings eher den Farbklecksereien von Kindern als echter Ausdruckskunst.
    Valery glaubte schon fast nicht mehr daran, eine Intelligenz mit Künstlerseele zu finden. Doch dann stellte man ihr eine neue Maschine vor.«
    »Moment mal«, sagte Delphine und löste die verschränk-
    ten Arme. »Ich wusste doch, dass ich von diesem SIKM

    schon gehört hatte. Passierte dort nicht das Unglück mit dem Uhrmacher?«
    Dreyfus nickte. »Das war die Maschine, von der ich spreche. Man wusste nicht genau, wo sie entstanden war: Innerhalb des SIKM wurde wie in allen derartigen Organisationen unter strenger Geheimhaltung geforscht, und zwischen den verschiedenen Abteilungen herrschte eine starke Rivalität. Klar war nur eines: Jemand hatte ein künstliches Bewusstsein geschaffen, das anders war als alle früheren. Kein Gehirn in der Flasche, sondern ein autonomes Robotwesen, das mobil war und mit seiner Umgebung interagieren konnte. Als meine Frau es zu sehen bekam, fertigte es bereits Dinge an. Spielsachen. Puzzles. Kleine Zier- und Kunstge-genstände. Uhren und Spieldosen. Und bald schon wurden
    die Uhren zahlreicher als alles andere.«
    »Wussten Sie damals davon?«
    »Nur über meine Frau. Ich äußerte Besorgnis. Die Fähig-
    keit des Uhrmachers, seine Umgebung zu beeinflussen und die eigene Struktur zu verändern, ließ auf einen Roboter schließen, der hoch entwickelte Replikationsverfahren in sich vereinigte, und so etwas sollte Panoplia überwachen.«
    »Was sagte Valery dazu?«
    »Sie suchte mich zu beruhigen. Sie halte den Uhrmacher
    für nicht gefährlicher als ein Kind, das sich beliebt machen wollte. Ich sagte darauf, ich hoffte nur, dass es keinen Trotz-anfall bekäme.«
    »Sie haben geahnt, wozu das Wesen fähig war?«
    »Niemand wusste, wo es herkam oder wer für seine Ent-
    stehung verantwortlich war.«
    »Ihre Sorgen waren berechtigt.«
    »Eines Tages baute der Uhrmacher eine Höllenmaschine.
    Uhr Nummer Zweihundertvierzehn sah nicht anders aus
    als ein Dutzend ihrer Vorgänger. Sie wurde nicht von Valery gefunden, sondern von einer anderen SIKM-Forscherin,
    einer Frau namens Krafft. Die nahm die Uhr um zwölf Uhr achtundfünfzig an sich, um sie in den Analyseraum zu tragen. Dorthin war sie noch unterwegs, als die Uhr dreizehn schlug, ein federgelagerter Pfeil aus dem Zifferblatt schoss und sich in ihre Brust bohrte. Er fuhr ihr zwischen den Rippen hindurch direkt in ihr Herz. Sie war sofort tot.«
    Delphine überlief ein Schauer. »Und das war der An-
    fang.«
    »Wir verloren den Kontakt zum SIKM um dreizehn Uhr
    sechsundzwanzig, nur eine knappe halbe Stunde nach der
    Entdeckung von Uhr Nummer Zweihundert vierzehn. Die
    letzte verständliche Botschaft lautete, ein Ungeheuer sei auf freiem Fuß und töte oder verstümmle jeden, dem es begegne. Dabei fand der Uhrmacher immer noch die Zeit, um weitere Uhren herzustellen. Er absorbierte das Rohmaterial über seine flimmernde Körperoberfläche und spie Sekunden später die tickenden Uhren aus.«
    »Ich muss Ihnen die Frage stellen - was geschah mit Ihrer Frau? Hat der Uhrmacher sie getötet?«
    »Nein«, sagte Dreyfus. »Sie starb nicht durch ihn. Ich
    weiß es, weil ein Team von Präfekten binnen einer Stunde nach Ausbruch der Krise in das SIKM

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