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Aurora

Aurora

Titel: Aurora Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alastair Reynolds
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genommen.«
    »Weil er mit seiner Entscheidung nicht länger weiterle-
    ben konnte?«
    »Sieht ganz so aus.«
    »Aber er hatte doch keine andere Wahl. Außerdem hatten
    die Bürger sicherlich entsprechend abgestimmt, sonst hätte er die Atomrakete gar nicht abschießen dürfen. Damit hatte er den Willen des Volkes hinter sich.«
    »Offensichtlich hatte das nicht genügt.«
    »Man fand keine Erklärung, keinen Abschiedsbrief?«
    Dreyfus zögerte. Es hatte tatsächlich einen Brief gegeben.
    Kr hatte ihn mithilfe seines Pangolin-Privilegs sogar selbst gelesen.
    Es war ein Fehler. Wir hätten es nicht tun dürfen. Ich bereue, diesen Menschen so schreckliches Leid zugefügt zu haben. Gott sei ihnen gnädig.
    »Es gab keinen Brief«, sagte er zu Delphine. Es gab keinen Brief, und es gab auch keine unerklärliche zeitliche Lücke zwischen der Rettung Jane Aumoniers und der Zerstörung des SIKM. Es gab keine Lücke, und es gab auch
    keine mysteriöse Verbindung zu dem eingemotteten Raum-
    schiff Atalanta, das ausgerechnet auf dem Höhepunkt der Krise aus seinem Orbit in eine Position in unmittelbarer Nähe des SIKM verlegt worden war.
    Es gab keine Geheimnisse. Alles passte zusammen.
    »Ich begreife immer noch nicht, warum sich der Mann
    umgebracht hat«, sagte Delphine.
    Dreyfus zuckte die Achseln. »Er konnte sich nicht verzeihen, was er getan hatte.«
    »Obwohl es das absolut Einzige und Richtige war?«
    »Trotzdem.«
    Delphine schien eine Weile darüber nachzudenken, dann
    fragte sie: »Gibt es eine Beta-Kopie Ihrer Frau?«

    »Nein«, antwortete Dreyfus.
    »Wieso nicht?«
    »Valery hielt nichts von Simulationen. Sie wollte nicht glauben, dass eine Beta-Kopie von ihr mehr sein könnte als eine wandelnde, redende Hülle. Sie mochte so aussehen
    und sich so anhören wie sie, sie mochte ihre Reaktionen hochgradig genau imitieren, aber innerlich wäre es nicht sie. Innerlich wäre sie tot.«
    »Und Sie haben diese Einstellung Ihrer Frau fraglos übernommen.«
    Dreyfus streckte zum Zeichen der Kapitulation die fla-
    chen Hände aus. »Es tut mir leid. Aber es ist eben so.«
    »Hat Ihre Frau jemals eine Alpha-Simulation in Erwägung gezogen?«
    »Sie hätte dagegen zwar keine philosophischen Beden-
    ken gehabt. Aber meine Frau und ich sind im Schatten der Achtzig aufgewachsen. Ich weiß, die Verfahren haben sich seither verbessert, aber es gibt immer noch genügend Un-sicherheiten und Risiken.«
    »Jetzt begreife ich, warum Sie sich mit meinesgleichen
    so schwertun.« Delphine lächelte verständnisvoll, um ihrer Bemerkung die Schärfe zu nehmen. »Und ich bin Ihnen
    nicht böse. Sie haben jemanden verloren, der Ihnen teuer war. Wenn Sie jetzt zugäben, dass ich so etwas wie ein Bewusstsein habe, würden Sie Valerys Überzeugungen ver-
    leugnen.«
    Dreyfus wehrte mit einer selbstironischen Geste ab. »Ich versichere Ihnen, ich bin weniger kompliziert, als Sie denken.«
    »Aber Sie sind ein Mensch. Das ist kein Verbrechen, Prä-
    fekt. Ich habe vorschnell über Sie geurteilt, das tut mir leid.«
    »Sie wussten es doch nicht besser.«
    Delphine holte tief Luft wie vor einem Sprung ins kalte Wasser. »Ich habe ein Versprechen gegeben. Sie haben mir etwas über sich erzählt, und dafür wollen Sie nun erfahren, was mich bewog, an der Lascaille-Serie zu arbeiten. Ich werde mich bemühen, es Ihnen zu erklären, aber ich
    fürchte, Sie werden enttäuscht sein. Es war nicht so, dass ich eines Morgens aufgewacht wäre und wie in einem grellen Blitz erkannt hätte, dass ich mich seinem Schicksal widmen musste.«
    »Aber etwas ist doch geschehen.«
    »Ich spürte einfach, wie sich ein Druck aufbaute, wie
    etwas aus mir herausdrängte. Es war wie ein Jucken an
    einer Stelle, wo ich mich nicht kratzen konnte, und das nicht aufhören würde, bis ich Philips Seite der Geschichte erzählt hätte.«
    »Wie gut kannten Sie denn die Geschichte?«
    Delphine wirkte so verunsichert, als hätte sie sich die Krage selbst noch nie gestellt. »So gut wie jeder andere, denke ich. Ich hatte von ihm gehört. Ich wusste in etwa, was geschehen war...«
    »Aber es gab doch einen entscheidenden Moment, in
    dem Sie erkannten, dass Sie das Thema anpacken mussten?
    Irgendein Hinweis auf ihn, eine Bemerkung über die Familie Sylveste oder die Schleier?«
    »Nein, nichts dergleichen.« Sie hielt inne, dann blitzte es in ihren Augen auf. »Da war nur dieser eine Tag. Ich war im Habitat, in meinem Vakuum-Atelier, beim Stein-schneiden. Natürlich trug ich einen

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