Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Aurora

Aurora

Titel: Aurora Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alastair Reynolds
Vom Netzwerk:
Frage noch kaum gedacht, als sie schon nickte. »Ja, ich habe deine privaten Aufzeichnungen gelesen. Sieh mich nicht so schockiert an, Sheridan. Du hast keinen Anlass, dich dafür zu schämen. Ganz im Gegenteil. Ich fand deine Ansichten sehr mutig. Du bist eine große Seltenheit: ein weiser Mann, der fähig ist, über seine eigene Zeit hinauszudenken.«
    »Ich bin Präfekt. Es ist mein Beruf, mich mit der Zukunft zu beschäftigen.«
    »Aber nicht jeder hat deine Fähigkeiten. Du bist ein Seher, Sheridan, ganz ähnlich wie ich. Nur unsere Methoden sind verschieden. Dir sagt dein Polizisteninstinkt, dass Hölle-Fünf ein Symptom ist, ein erstes Anzeichen einer drohenden Krankheit, die selbst für Panoplia zu stark werden
    könnte. Ich sehe die Zukunft durch eine andere Linse, aber ich erkenne die gleichen bedrohlichen Muster, die gleichen subtilen Hinweise auf eine bevorstehende schwere Krise.«
    »Was siehst du?«
    »Das Ende der Welt, Sheridan. Wenn nicht tapfere Män-
    ner jetzt das Richtige tun, um die Katastrophe abzuwen-
    den.« Sie hatte ihn prüfend angesehen wie ein Lehrer, der einen intelligenten, aber eigensinnigen Schüler zu beurteilen hatte. »Die Einträge in deinem Tagebuch zeigen, dass du nicht gleichgültig bist. Aber das genügt nicht. Aus Worten müssen Taten werden.«
    »Ich tue, was ich kann. Wenn meine Ideen ausgereift
    sind, will ich sie den anderen Oberpräfekten vortragen ...«
    »Damit sie dich aus der Organisation werfen?«
    »Ich bräuchte nur die angemessene Sprache zu finden ...«
    »Das würde nichts ändern. Du bist ein Befürworter der
    autoritären Kontrolle. Du weißt, dass dein Weg richtig ist, aber für die meisten Menschen ist allein schon der Gedanke wie Gift.«
    »Es muss nicht so kommen.«
    »Natürlich nicht. Du siehst das nicht nur, du spürst es auch tief in deinem Herzen. Autoritäre Kontrolle kann auch eine Form von Güte sein, wie bei einer Mutter, die ihr Klein-kind an die Brust drückt, damit es aufhört zu schreien und um sich zu schlagen. Aber davon wirst du die Bevölkerung mit noch so vielen vernünftigen Argumenten nicht überzeugen. Sie muss es einfach am eigenen Leib erfahren.«
    »Dann wird es nie dazu kommen. Selbst wenn Panoplia
    wollte, es wäre niemals stark genug, um die Macht im Glitzerband zu übernehmen. Die Bürger gestatten uns nicht
    einmal, Waffen zu tragen!«
    »Man braucht nicht unbedingt jedes von den zehntau-
    send Habitaten mit Präfekten zu stürmen und eine neue
    Regierung auszurufen, Sheridan. Man kann die Herrschaft auch auf andere Weise übernehmen.«
    »Wie denn?«
    »Wenn die richtigen Vorbereitungen getroffen werden,
    kann es von einem Moment auf den anderen so weit sein.«
    »Ich kann dir nicht folgen.«
    »Ich habe lange Zeit ähnlich gedacht wie du. Nach reiflicher Überlegung bin ich zu dem Schluss gelangt, dass der Übergang zu einer Zentralregierung schlagartig erfolgen muss, bevor Panik ausbrechen kann und Gegenreaktionen
    einsetzen.«

    »Dafür fehlen die Mittel«, wandte er ein.
    »Angenommen, man könnte es so einrichten, dass sie zur
    Verfügung stünden?«
    »Unsere Vorbereitungen würden nicht unbemerkt blei-
    ben.«
    »Nicht, wenn wir besser sind als die anderen. Kein Pro-
    blem. Ich denke, wir beide zusammen, Sheridan, wären
    wirklich ein starkes Team.«
    Jetzt, Jahre nach jenem ersten Gespräch mit Aurora, über-dachte Gaffney alle Vorbereitungen, die sie getroffen, alle Gefahren und Hindernisse, die sie überwunden hatten.
    Auffallend war nach allem, was er jetzt wusste, dass Aurora kein einziges Mal wirklich die Unwahrheit gesagt hatte. Sie hätte ihm ihre eigenen Visionen der Zukunft nicht zu schildern brauchen, aber sie hatte es trotzdem getan. Und je mehr ihre Beziehung sich vertiefte, je fester und verschlungener die Bande der Verschwörung wurden, desto weiter
    hatte sie ihn eingeführt in das wahre Wesen jener Linse, von der sie anfangs gesprochen hatte: einer Maschine namens Exordium und einer Gruppe von Schläfern wider
    Willen, die für sie in die nebelhaften Tiefen schauten und berichteten, was sie dort sahen. Er war sogar bei ihnen gewesen und hatte ein Geheimnis erfahren, das das ganze
    System in Stücke gerissen hätte, wäre es bekannt geworden.
    Die träumenden Gefangenen taten ihm leid. Aber was sie
    taten, war notwendig und schön zugleich.
    Die Geschichte würde es ihnen danken.
    Gaffney hatte in Hölle-Fünf erkannt, dass im Wesen des
    Glitzerbandes der Keim seines Untergangs schlummerte.
    Aber

Weitere Kostenlose Bücher