Aurum und Argentum (2) - Die magischen Avatare (German Edition)
Medaille zu betrachten.
„Nun gut, dann setzt euch und lauscht.“ Sie taten auch wie ihnen geheißen und der Oberbonze begann: „Es ist noch nicht lange her, da wohnten wir in einem Wald mit Drachenberg fröhlich in den Tag hinein. Wir sind Müßiggänger, uns liegt es nicht im Blut, hart zu arbeiten, stattdessen genießen wir lieber das Leben. Der Wald versorgte uns bereitwillig mit allem was wir brauchten.“
„Und warum habt ihr eure eigenen Kameraden überfallen?“, funkte Calep dazwischen. „Die Bes waren eure Freunde!“ Sein Gegenüber war ein wenig erstaunt, dass er davon wusste, ließ sich aber nicht weiter irritieren.
„Du hast Recht, Junge, das waren sie. Wir haben stets den alten Bes-Häuptling geachtet und es ist nicht so, dass wir seinen Sohn nicht respektierten.“
„Sie haben Furchtbares durchgemacht!“, schimpfte Calep weiter. „Erst habt ihr sie zusammen mit den Kentauren überfallen und ihnen die Vorräte und Diamanten gestohlen, danach ist ihre Diamantenader versiegt, eine Horde Dämonen ist bei ihnen eingefallen, später auch noch Kobolde und Orks! Alsbald ist auch noch der graue Drache vom Berg durchgedreht! Das Schicksal hat ihnen nicht ein Leid erspart.“
„Zum Glück ist der Drache wieder zur Vernunft gekommen und sie haben andere wertvolle Steine im Berg gefunden“, fuhr Leon fort.
„Da seht ihr es“, brummte der Oberbonze, „wir hingegen hatten nicht so viel Glück.“
„Pah!“, machte Flux, „von wegen Glück!“
„Ruhig Blut“, meckerte der Satyr, „hört zu, alles hat seine Gründe, oder glaubt ihr etwa, wir hätten die Bes so mir nichts, dir nichts ausgeraubt? Sie waren unsere Freunde und Spaß hat es uns nicht gemacht.“
„Richtig“, übernahm nun wieder der Boss, „wir wollen doch nur eines: Überleben und wir sahen keinen anderen Ausweg mehr. Sicher, wir haben Schuld auf uns geladen, doch die Ursache liegt anderswo.“ Mit einem Ruck warf er das Chimärenfell nach hinten, das bisher seine rechte Körperhälfte bedeckt hatte. „Glaubt mir, dies hat mir jemand angetan, dem ich zuvor kein Leid zugefügt habe.“ Entsetzt sahen alle auf die Narben, dem „Sohn des Dionysos“ fehlte der komplette rechte Arm. „Bevor ihr fragt: Es waren Dämonen, die mir das angetan haben und falls ihr euch wundert, warum so wenig Männer hier sind: sie sind nicht auf der Jagd, nein, die Geißel aus dem Untergrund hat sie ermordet. Es war Glück, das die meisten Frauen und Kinder mit dem Leben davonkamen.“ Mit einem schrillen Pfeifen rief er einen Urisk-Jungen herbei, einen nahen Verwandten der Satyrn, dessen Volk Wasser liebte und deren Beinfell schwarz-weiß gescheckt war wie bei einer Kuh.
„Seht her“, forderte der schönlingshafte Faun, „was die Dämonen mit ihm angerichtet haben, zusätzlich nahmen sie ihm die Familie. Seine Eltern, sein großer Bruder, ja sogar seine Schwester – sie sind alle tot.“
Eine tiefe Narbe führte über die linke Gesichtshälfte des Urisk, auf diesem Auge war er zusätzlich erblindet. „Alle, die das Massaker überlebten, litten schrecklichen Hunger“, betonte der Satyr, „wir sahen keinen anderen Ausweg.“
„Aber es war Unrecht!“, fauchte Flux. „Sie waren eure Kameraden!“
„Du da sprechen mit unserem Anführer! Zähmen deine Zunge, kleiner Elf!“, verlangte der Silen.
„Lass’ gut sein“, der Anführer blieb ruhig, „das Schlimme ist, das du völlig Recht hast, junger Freund. Als wir die Bes überfielen, machten wir unserem schlechten Ruf alle Ehre. Die Dämonen hatten uns alles genommen, nur ein paar versteckte Weinkrüge nicht. Wir wollten uns damit neuen Mut antrinken, doch stattdessen weckte der Wein in uns und den Kentauren nur das wilde Tier. Wir sahen, wie unsere Frauen und Kinder durch den Hunger immer schwächer wurden, wir konnten nicht mehr tatenlos zusehen. Nach dem Überfall sind wir auch nicht länger in der Gegend geblieben. Viele von uns haben sich geschämt, aber das ändert wohl nichts.“
„Das Leben der Kinder ist Entschuldigung genug!“, mischte sich der Puka-Stier ein. „Und für das Unheil, das den Bes dann folgte, sind wir nicht verantwortlich!“
Eine kleine Weile herrschte Schweigen, doch eine Frage war noch offen. „Sagt mir“, erhob Orion das Wort, „warum taten die Dämonen euch das an? Es ist allgemein bekannt, dass sie Gutmütigkeit verabscheuen, daher überfielen sie wohl die Bes, doch ich kann mir nicht vorstellen, dass sie euch aus den gleichen Gründen
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