Aurum und Argentum (2) - Die magischen Avatare (German Edition)
selbst saß zwar ständig im Schatten eines Sonnenschirms, den sie von zuhause mitgenommen hatte, aber dennoch war sie immerzu am mosern. Die Jungs und Pazu versuchten sich während der Tage abzulenken, mit kleinen Geschichten oder durch die Beobachtung der Umgebung. Von Weitem sahen sie noch einmal die Chimärenfamilie und auch der frechen Alma begegneten sie erneut. Sie saß am Fuße eines Hügels, zusammen mit einem Männchen und ihrer fröhlichen Kinderschar. Den Anblick fand Leon ganz rührend, aber nur so lange, bis die lustige Meute auf ihn zugewetzt kam, um ihm die Haare zu zerzausen. Eiligst machten sich die Verbündeten davon.
„Wohin des Wegs? Nehmt euch in Acht vor den Bestien“, warnte ein farbiger Elf mit schwarzem Lockenkopf, dem sie mit seiner Schafherde an einem Abend begegneten. Er erklärte ihnen noch kurz, dass es sich um zwei berüchtigte Biester handelte, die niemals alleine auftauchten und Wanderer in Angst und Schrecken versetzten. Danach begab er sich schleunigst auf den Heimweg in sein entlegenes Dorf, nicht aber, ohne ihnen noch eine angenehme und möglichst zwischenfallslose Weiterreise zu wünschen. Kleopatra lachte nur über den abergläubischen jungen Mann, bis sie eines Morgens an einem Wasserloch saß, um die Benu zu beobachten. Dies waren große Vögel, ähnlich einem Kranich, mit zwei sehr langen Federn am Hinterkopf. Sie waren mit dem Phönix entfernt verwandt und ebenso unsterblich. Fasziniert von ihnen bemerkte die Fee erst viel zu spät den eigenartigen Kopf, der an einem biegsamen Schwanz aus dem Teich auftauchte, sie am Kleid packte und ins Wasser zu zerren trachtete. Erschrocken flogen die Benu davon und Kleopatra brüllte um ihr Leben. Zum Glück war Pazu geistesgegenwärtiger als die verträumte Fee. Beherzt packte sie zu und zerrte das Ungeheuer mit enormer Kraftanstrengung aus dem Wasser heraus. Dabei gab es Kleopatra frei und an Land sah es nur noch halb so schrecklich aus.
„Ein Ahnizotl, wie faszinierend“, säuselte Orion, der herbei kam und das eigenartige Monster – ein zweiköpfiger Hybride aus Hund und Affe – kroch auf allen Vieren ins Wasser zurück.
„Wäre ich doch nur zu Hause geblieben! Dort könnte ich ungestört in der Sonne baden und auf meinen Traumprinzen warten! Wo steckst du nur, kühner Recke, wie lange muss ich noch warten, bis du auf deinem weißen Ross herbeigeritten kommst, um mich mit dir in den Sonnenuntergang zu tragen? Du wirst mir alle Wünsche von den Augen ablesen und dich dafür an meiner Schönheit nicht sattsehen können …“
„Eindeutige Märchenüberdosis“, diagnostizierte Calep und erntete natürlich keinen Beifall. Ein Gutes aber hatte die Begebenheit immerhin, von Stund an wich Kleopatra nicht mehr von der Seite der Albinodämonin, im Gegenteil, sie beförderte Pazu vom nutzlosen Mitläufer zu ihrer persönlichen Leibwache. Als Gegenleistung für diese Aufgabe kämmte ihr die Prinzessin persönlich morgens und abends ausführlich die langen Zottelhaare.
Die Leibwache tat auch insofern Not, da sie dem gefürchteten Bestienduo bisher noch nicht begegnet waren, denn seit der Episode mit der Ahnizotl schenkte Kleopatra jener Warnung mehr Beachtung. Sie befahl allen, sehr wachsam zu sein, doch vorerst entdeckte niemand etwas Verdächtiges. Bis dato waren lediglich Leoparden, einige Giraffen, Gazellen, Hyänen, Geier, Warzenschweine und andere Savannentiere zu sehen. Besonders beeindruckend war die Begegnung mit einer Herde aus weißen Elefanten, darunter auch ein besonders großes Exemplar mit vier Rüsseln, das man Airavata nannte. Diese stattliche Elefantenkuh riss zur Begrüßung alle Rüssel in die Höhe und trompetete lautstark. Die anderen Elfefanten taten es ihr gleich und Leon erschrak darüber so sehr, dass er auf und davon stürzen wollte.
„Sind die aber süß!“, die Leitkuh war ganz aus dem Häuschen und auch die anderen Elefanten-Damen überschlugen sich fast vor Begeisterung. „Schaut euch doch nur diese Pausbäckchen an und die spitzen Öhrchen von dem Engelchen! Und erst diese Fee, die möchte man knuddeln!“ Schon langte ein Rüssel nach Caleps Wange und kniff zärtlich hinein.
„Also meine Damen!“, versuchte Orion die fröhliche Schar zu beruhigen, sofort fummelten ein Dutzend Rüssel an seinen Flügeln herum, alle bestaunten seine prächtigen braunen Federn und sein glänzendes gelbes Fell.
„Schluss jetzt!“, brüllte Calep, als es ihm zu bunt wurde. „Wisst ihr denn überhaupt, wer wir
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