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Aus dem Berliner Journal

Aus dem Berliner Journal

Titel: Aus dem Berliner Journal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Max Frisch
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die ich bisher nur als Material missbraucht habe, nämlich willkürlich gesehen oder nicht gesehen, in Literatur verdrängt.
     
    80 Was sie also in Brechts ARBEITSJOURNAL vermissen: das Private, das, wenn es sich manifestiert, so sehr verpönt ist. Nabelschau usw. Wie sehr es doch den Rezensenten um die Gesellschaft geht und nur um die Gesellschaft, nämlich in der Literatur. Was genau unter Privat zu verstehen ist, muss keiner von ihnen definieren; man weiss schon so ungefähr, was verlangt ist, was hingegen ganz und gar schmählich, und handkehrum ihr Entzücken: Man darf wieder Ich sagen, weil Peter Handke es gewagt und gekonnt hat. Und Brecht nicht so recht; der meldet nichts von seinen Geliebten, was er uns schuldig wäre, nichts von seiner Erfahrung mit dem Altern. Und sie zeichnen mit dem gleichen Namen, die Rezensenten, formulieren mit derselben Klugheit ihr jeweiliges Postulat. Es ist lesenswert wie Börsenkurse.
     
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81 30.3.
     
    Die Euphorie, man werde jünger dank eines Wohnortwechsels, dank Klima usw., nochmals etwas jünger.
     
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    82 Es fängt an, dass ich einen Kinderbesuch schwer ertrage, vorallem wenn die Mutter der Kinder sich so gar nicht stören lässt, sodass ich, der Alte, aufzupassen habe, und ein kleiner lustiger Hund ist auch noch dabei, mag nicht an die Leine gebunden sein, soll nicht an die Leine gebunden sein, soll die Speisen auf unserm Tisch nicht anschnuppern. Was mögen die Kinder, was gar nicht, was sollen sie trinken, wer darf einschenken oder nicht. Vorgesehen war ein später Lunch von zwei erwachsenen Paaren, die sich eine Zeit lang nicht sehen werden, vielleicht sprechen möchten mit einander. Da der Vater sich um fast eine Stunde verspätet, bleibt es Kindervisite; alle Türen offen, Kinder dürfen schliesslich in Schlafzimmer, Bad, Küche, Studio, desgleichen das lustige Hundchen. Dass mir einiges auf die Nerven [geht], ist meine Sache, meine Unartigkeit. Übrigens fehlt noch ein Sohn, kommt aber nach, es wird gegessen. Ohne Zwang, jedes Kind nimmt, was es will, versuchen will, mal kosten, die Mutter hat den Wachdienst abgetreten, ich schneide Brot und wieder Brot, höre zu, da inzwischen der Vater eingetroffen ist, giesse Wein ein und versuche zuzuhören. Die Leute haben einfach Nerven. Ich sehe nicht einmal ein, warum ich dieselben Nerven haben muss. Nichts sagen, um nicht Verärgerung durchblicken zu lassen, aber das ergibt ein graues Schweigen, unartig von mir, nur teilweise wettzumachen mit Aufmerksamkeit: wer möchte was. So beflissen, dass M. sich zu Recht vernachlässigt fühlt, allen habe ich eingeschenkt und ihr nicht, da die Flasche leer ist, und die nächste Flasche in der Hand versuche ich nochmals zuzuhören, statt zu entkorken. Entschuldige. Man hat es längst gemerkt. Aber was? Er, der Vater der Kinder, die jetzt nur noch mit Vanille-Eis über ihre Langweile zu retten sind, sagt 83 nett: Du hast heute deinen Ernsten Tag, scheint mir. Also gebe ich mir, nachdem die Flasche entkorkt ist, sodass M. mich nicht weiter braucht, einen Ruck zur Kommunikation, nicke nicht nur ins Ungefähre, sondern sage etwas. Zum Thema, zu der Geschichte, die gerade aufliegt, ich war nämlich dabei; aber nicht bloss M., die ebenfalls dabei war, fällt mir sofort ins Wort und bei jedem neuen Anlauf sofort wieder. Warum sollen die Erwachsenen nicht dürfen, was die Kinder dürfen. Also habe ich heute meinen Ernsten Tag. Es bleibt noch der Witz, ins Gespräch einzuwerfen mit drei Wörtern. Ich wollte M. nicht verletzen. Der Vater der Kinder, dem es trotz seiner Verspätung schmeckt, findet uns ein komisches Paar, aber so komisch auch wieder nicht; die Frau eines Mannes, der so unartig ist, kann einem etwas leidtun. Wie weiter? Tatsächlich bin ich immer mehr im Unrecht; nach zwei Stunden sind die Kinder schon gar nicht mehr zu Besuch, der lustige Hund auch nicht, stattdessen der Sohn, der aber etwas zu berichten hat, und dass ich immer wieder einmal, so unauffällig wie möglich, einige Türen schliesse, ist eine Marotte von mir; ich bin der ungemütliche Kerl hier, der nur Cognac beitragen kann, nicht geradezu böse, nur nervös, dadurch unmöglich, und M. muss es wettmachen die ganze Zeit, ich kann ihr dabei nicht helfen, aber es wird ihr geholfen von der Mutter der Kinder, die grad wieder zurückgekommen sind, jetzt zur Ordnung gerufen; die Mutter, die ich herzlich schätze, scheint etwas gemerkt zu haben, sie sagt: Warum überhaupt habt Ihr den Hund nicht zuhause

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