Aus Dem Dunkel
sie selbst als beruhigend empfand. Zudem gefiel es ihr, ihn zu berühren. »Sch!«, tröstete sie ihn. »Auch das wird alles noch zurückkommen. Konzentrier dich auf das Positive.«
Er nickte und entspannte die Schultern. Sanft schlang er seine Arme um Helen und zog sie näher zu sich heran. Ihr war nur allzu bewusst, dass er nur Boxershorts und ein T-Shirt trug. Sie hatte ganz vergessen, welche Wärme er ausstrahlte. »Du erinnerst dich also wirklich an unsere Beziehung?«, fragte sie und konnte es kaum glauben.
»Ja«, erwiderte er nachdenklich. Zärtlich strich er über ihren Körper, als wollte er seine Erinnerungen damit vergleichen, wie sie sich tatsächlich anfühlte.
»Also erinnerst du dich auch wieder daran, wie mein Vater uns einander vorgestellt hat? Und du erinnerst dich daran, wie du das erste Mal Mallory getroffen hast?«
»Du warst die schönste Frau, die ich je gesehen hatte«, gestand er. »Mallory war süß, aber sie hat mir eine Heidenangst eingejagt.«
»Tatsächlich?« Das war Helen nicht bewusst gewesen. Der alte Gabe hatte so furchtlos gewirkt.
»Ich wusste einfach, dass ich einen lausigen Vater abgeben würde«, fügte er hinzu.
Helen zitterte. Diese Situation war so unerwartet eingetreten. Jetzt, da er sich an ihre gemeinsame Geschichte erinnerte, verschmolzen vor ihren Augen Vergangenheit und Gegenwart miteinander. Aber sicher würde die Last ihres bisherigen Lebens das neu gefundene Glück erdrücken. »Jetzt bist du ein guter Vater«, stellte sie fest und hörte selbst das Bedauern in ihrer Stimme.
»Ich versuche es«, sagte er ernst. »Ich weiß, dass ich viel wiedergutmachen muss, verdammt viel.«
Sie blickte zu ihm auf, unfähig, die in ihr aufkeimende Hoffnung zu unterdrücken. Sein Erinnerungsvermögen war zurückgekehrt, aber er klang immer noch wie der neue Gabe.
»Im letzten Jahr bin ich durch die Hölle gegangen«, sagte er voller Trauer in der Stimme, und in seinen Augen glitzerten erneut Tränen. »Ich hätte niemals geglaubt, dort lebend herauszukommen. Aber irgendetwas hat mich angetrieben.« Er nahm ihre Hand, legte sie mittig auf seine Brust und hielt sie dort fest. »Irgendetwas hier drin«, erklärte er, »warst du.« Sein Blick glitt über ihr Gesicht. Es war, als suchte Gabe nach den richtigen Worten. »Ich bin ein solcher Idiot gewesen, Helen«, sagte er, und eine steile Falte bildete sich auf seiner Stirn zwischen den Augen. »Ich habe gedacht, dich zu lieben, würde mich schwächen, mich zu einem schlechteren SEAL machen.« Er stieß ein ungläubiges Lachen aus. »Aber stattdessen hat es mich stark gemacht. Du … dich zu lieben … war mein Grund zurückzukommen.«
Sie nahm nicht wahr, wann sie selbst anfing zu weinen. Sie wusste nur, dass ihre Wangen feucht waren und ihr das Herz überging. Es fiel ihr regelrecht schwer, zu atmen. In ihren wildesten Träumen hätte sie sich nicht vorstellen können, dass Gabe ihr etwas Ähnliches gestehen würde – dass er sie liebte . Sie konnte es nicht glauben. Sie war fassungslos. Und es änderte einfach alles.
Sie konnte ihn nur anstarren, während sie versuchte, das, was sie gehört hatte, mit dem, was sie von ihm wusste, in Einklang bringen. Während die Sekunden zu Minuten wurden, wandte Gabe den Blick ab und ließ die Arme sinken. »Ich kann verstehen, wenn du mich immer noch nicht willst«, sagte er, und es klang herzergreifend. »Ich weiß, wie ich aussehe. Ich weiß, was meine Entführer mir angetan haben.«
Mit einem Aufschrei packte sie Gabe und hinderte ihn daran, sich zurückzuziehen. »Hör auf damit«, schimpfte sie. »Denk das niemals, Gabe. Du weißt, dass ich dich will. Ich habe es dir gerade erst neulich gesagt.«
»Für immer?«, fragte er, weil er so etwas wie ein Versprechen brauchte.
Sie wollte gern Ja sagen. Oberflächlich betrachtet wirkte es schließlich so, als hätte Gabes Gefangenschaft ihn nicht verändert. Wenn überhaupt, dann hatte er dadurch Zeit gehabt, die alles überwindende Kraft der Liebe zu akzeptieren. Und auch sie hatte ihre Lektion gelernt, was es bedeutete, auf die ewige Liebe zu hoffen. Sie würde abwarten, um zu sehen, ob dieser neue Gabe das nötige Durchhaltevermögen besaß, bevor sie ihm erneut ihr Herz schenkte. »Vielleicht«, erwiderte sie. Mehr konnte sie ihm für den Augenblick nicht versprechen.
Einen bangen Moment lang dachte er über ihre Antworten nach. »Vielleicht ist genug«, entschied er dann. Er zog sie an sich und sog ihren Duft ein, als wäre es
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