Aus Dem Dunkel
verriet ihm ihren vollen Namen und beobachtete, wie Sebastian den Namen einer Beschwörungsformel gleich wiederholte – nicht ein oder zwei, sondern ganze drei Mal.
»Wo wohnt sie? Was macht sie?«, fragte der Master Chief weiter. In seinen schwarzen Augen lag Leidenschaft.
Gabe hatte schon immer gespürt, dass diese Art von Temperament in dem Mann steckte. Dennoch war Sebastian bis jetzt die Selbstbeherrschung in Person gewesen. Nie war er laut geworden. Er konnte in den gefährlichsten Situationen noch ruhig überlegen. Aber Leila Eser, das war nicht zu übersehen, hatte ihn total aus der Fassung gebracht.
»Moment mal«, sagte Gabe und machte mit beiden Händen das Zeichen für »Time-out«. »Jetzt bin ich erst mal an der Reihe. Wie kommt es, dass Leila Ihren Namen kennt und Sie keine Ahnung haben, wie sie heißt?«
»Ich kenne sie«, erwiderte der Master Chief. In ihm brodelte es, er lief wie eine große, schwarze Katze hin und her.
»Und woher?«
Darauf antwortete der Master Chief nicht. »Ich habe nach ihr gesucht«, gestand er und strich mit einer Hand über die Lehne, auf der sie gesessen hatte.
»Lassen Sie mich raten. Sie hatten so was wie ein Rendezvous mit ihr, und danach hat Leila Sie sitzen lassen, stimmt’s?« Gabe musste sich auf die Innenseiten seiner Wangen beißen, um nicht laut loszuprusten.
Der Master Chief bemerkte Gabes Belustigung. »Halten Sie das etwa für komisch?«, fragte er gefährlich ruhig.
Gabe musste sich umdrehen, um zu verbergen, dass er Tränen in den Augen hatte. »Komisch? Oh nein, bestimmt nicht.« Es war zum Totlachen. Die beiden waren wie füreinander geschaffen, temperamentvoll und furchtlos. Und doch waren sie grundverschieden. Der Master Chief bevorzugte gedeckte Farben und fuhr kaputte Oldtimer, weil er nie Zeit hatte, sie zu restaurieren. Falls Leila Eser ein Auto besaß, darauf hätte Gabe seine gesamten Ersparnisse verwettet, war es neu, schnell und feuerrot.
»Wissen Sie, wo sie arbeitet?«, fragte der Master Chief energisch.
»Klar. Wenn Sie mich heute zu meinem Termin fahren, zeige ich Ihnen ihr Studio«, schlug Gabe vor. »Sie können Ihr einen Besuch abstatten, während ich mit meinem Psychiater plaudere.« Als er daran dachte, welche Meinung Dr. Terrien von ihm hatte, verflog Gabes gute Laune fast wieder. Doch er würde den Termin einhalten, weil Helen es so wollte.
Aber eins nach dem anderen. Heute Vormittag wollte er Ernest Forrester anrufen und sich mit ihm unterhalten. Dessen Ermittlungen mochten etwas Licht in Gabes Situation bringen. Der Mann war zwei Tage lang verreist gewesen und dürfte heute wieder in seinem Büro zu erreichen sein.
Gabe warf einen Blick auf seine Uhr. Es war fast acht.
»Rufen Sie an.« Sebastian erriet Gabes Gedanken. Frühmorgens hatten sie sich bei einem Kaffee über ihr weiteres Vorgehen beraten.
Das Thema Leila Eser war für den Moment gegessen.
Gabe nahm das Telefon und wählte die Nummer, die er sich gemerkt hatte. Es klingelte und klingelte. Er wollte gerade auflegen, als eine Frau antwortete. »Hannah Geary«, sagte sie. Es klang gehetzt.
»Geary, hier spricht Lieutenant Renault, U.S. Navy. Ist Ernest Forrester schon im Büro?«
Auf seine Frage hin folgte eine lange Pause. »Lieutenant, es tut mir leid, dass ich es bin, die Ihnen diese schlechte Nachricht überbringen muss«, sagte die Frau mit erstickter Stimme, »aber Ernie ist bei einem Autounfall ums Leben gekommen, während er verreist war. Der Unfallverursacher hat Fahrerflucht begangen und wurde noch nicht gefasst.«
Die Verzweiflung in der Stimme der Frau wurde Gabe als Erstes bewusst, dann Forresters Tod und schließlich die Tatsache, dass der andere Fahrer geflohen war. Gabe sog scharf die Luft ein. War es möglich, dass Forresters Tod – wenn er mit Absicht herbeigeführt worden war – etwas mit Gabes eigener Lage zu tun hatte?
»Das tut mir leid«, sagte er und meinte es auch so. Es war schwer, diese unerwartete Tragödie zu begreifen. Herrgott, er hatte am Samstag noch mit Forrester gesprochen! »Haben Sie eng mit ihm zusammengearbeitet?«
»Wir waren uns sehr nah«, gestand sie, und ihre Stimme brach. »Ich kenne Ihren Fall«, fügte sie dann hinzu.
Sie wusste Bescheid? »Glauben Sie, Ernies Arbeit könnte etwas mit dem Unfall zu tun haben?«, tastete er sich behutsam vor.
Sie senkte ihre Stimme zu einem verschwörerischen Flüstern. »Ich will es mal so ausdrücken: Wir hatten kaum von seinem Tod erfahren, da kamen auch schon ein paar
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