Aus Dem Dunkel
Schlipsträger herein und packten seine Akten ein. Sie haben sogar die Festplatte aus seinem Computer ausgebaut.«
Das klang in der Tat verdächtig.
»Lieutenant, Sie sollen wissen, dass ich vorhabe, dort weiterzumachen, wo mein Partner aufgehört hat«, ergänzte sie entschieden.
Das gefiel Gabe nicht sonderlich. Wenn man Forrester umgebracht hatte, weil er den Waffendieben zu dicht auf die Pelle gerückt war, wollte Gabe nicht, dass seiner Partnerin dasselbe widerfuhr. Ihrer Stimme nach zu urteilen, war sie kaum älter als Mitte zwanzig. »Hören Sie, ich glaube, Sie sollten die Finger von der Sache lassen und für einige Zeit untertauchen.«
Die Reaktion auf seinen Rat war angespanntes Schweigen, aber Gabe würde seine Worte nicht zurückzunehmen. Ernie Forrester war tot. Das Timing erschien einfach zu verdächtig, bedachte man, mit welcher Entschlossenheit der Mann versucht hatte, das Geheimnis hinter Gabes Verschwinden zu lüften.
Herrgott, diese ganze Sache wäre vorbei, wenn er sich nur endlich erinnern könnte!
»Wenn Sie meine Hilfe brauchen«, fuhr er fort, »oder wenn irgendetwas anderes passiert, möchte ich, dass Sie mich anrufen.« Er gab ihr Sebastians Nummer durch. »Aber Sie sollten sich dann von einem neutralen Ort aus melden«, meinte er noch.
»Verstanden.« Ich bin nicht blöd, schwang in ihrem Ton mit.
Gabe legte auf. Die Unerschütterlichkeit dieser Frau war zu bewundern. Der Master Chief sah ihn stirnrunzelnd an. »Forrester ist bei einem Autounfall ums Leben gekommen, Fahrerflucht«, weihte Gabe ihn grimmig ein. »Ich hatte seine Partnerin dran. Die Kleine wittert irgendein dreckiges Geheimnis und will der Sache nachgehen. Ich hoffe, sie ist klug genug, nicht zu weit zu gehen.«
»Sie sollten sich lieber Sorgen um sich selbst machen«, empfahl Sebastian.
»Warum sollte ich mir Gedanken machen? Ich hab doch Sandman als Rückendeckung.«
Sandman war Sebastians Codename, aus dem einfachen Grund, weil er Tangos, wie feindliche Zielpersonen im Militärjargon hießen, schnell schlafen legte – und zwar dauerhaft.
»Wann ist Ihr Termin?«, wechselte der Master Chief das Thema.
»Um sechzehn Uhr.« Gabe fuhr sich mit einer Hand übers Kinn. Sollte er mit seinem Psychiater sprechen? Forrester hatte ihn davor gewarnt, und jetzt war er tot.
Lag dem freundlichen Dr. Terrien wirklich Gabes Wohl am Herzen? Oder war er ein Spitzel, ein Spürhund, der herausfinden sollte, woran sich der Patient wirklich erinnerte?
Er stellte sich vor, wie der Mediziner seine intimsten Gedanken an einen Dritten weitergab. Allerdings wirkte der Psychiater nicht wie ein gewissenloser Verräter. Außerdem war es vor allem Terriens Verdienst, dass Helen ihm eine zweite Chance gegeben hatte.
Innerlich zuckte Gabe mit den Schultern und entschied sich für eine weitere Therapiestunde. Schließlich hatte er sein Erinnerungsvermögen noch nicht vollständig wiedergewonnen. Und sein Privatleben war ein einziges Trümmerfeld.
Sebastian schob die Glastür auf und betrat Expressions: A Dance Studio . Dadurch löste er ein elektronisches Glockenspiel aus, und eine Suite aus Der Nussknacker ertönte.
Zu seiner Erleichterung war der Eingangsbereich menschenleer, und so hatte er einen Moment lang Zeit, noch einmal tief durchzuatmen und sich den Schweiß von der Stirn zu wischen. Der Raum war türkisfarben gestrichen, und an den Wänden hingen Ballerinapuppen mitten im Sprung, im Tanzschritt oder in einer Pirouette. Ihre Trikots waren entweder neongrün, violett oder kanariengelb. Sebastian wurde fast schwindelig von all den Farben, während er sich langsam umschaute.
Als das Glockenspiel zu Ende war, hörte er ihre raue Stimme über Klaviermusik hinweg. Sie zählte Schritte. Er drehte sich hastig in die entsprechende Richtung und blickte einen Gang entlang, der zu einer halb offenen Tür führte.
»Und eins, und zwei, und drei und drehen! Und eins, und zwei, und drei und beugen! Stopp. Die Schultern nach hinten. Seht hierher. Knicks. Und wo ist euer Lächeln? Ah, schon besser!«
Diesen Instruktionen folgte leises Händeklatschen. Leilas Stimme ging in einem Meer aufgeregten Geschnatters unter. Die Tür flog auf, und ein Schwarm kleiner Mädchen strömte heraus, ihre Augen strahlten geradezu vor Eifer, und ihre Wangen waren vor Anstrengung gerötet.
Ihre winzigen Beine und Füße steckten in Strumpfhosen und Ballettschuhen, darüber trugen sie Tutus. Für Sebastian sahen sie aus wie kleine Feen, wie eine völlig
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