Aus Dem Dunkel
Marihuana zu rauchen! Es würde wahrscheinlich eine saftige Geldstrafe geben.
Wenn sie das Zeug wirklich geraucht hatte, dann lag es wohl auf der Hand, dass sie von seiner Entscheidung, zu gehen, gehörig aus der Bahn geworfen worden war. Vielleicht hätte er bleiben sollen. Vielleicht waren Helen und Mallory mit ihm besser dran als ohne ihn. Er fluchte im Stillen, denn er konnte es nicht beantworten.
Helen ging nach draußen, gefolgt von Gabe, der noch seine Pistole aus dem Wagen des Master Chiefs holte. Den bestürzten Blick von Helen überging er. Immerhin machte sie keinerlei Bemerkung dahin gehend, dass er paranoid oder verrückt sei. So viel musste er ihr zugutehalten. Er nahm ihr die Autoschlüssel aus der Hand und fuhr den Jaguar selbst in Richtung Back Bay.
Sie erreichten die Zufahrt zum Naturschutzgebiet nach weniger als fünf Minuten. Die Schranke war heruntergelassen, was bedeutete, dass man das Reservat für heute bereits geschlossen hatte. Die untergehende Sonne tauchte die Sanddünen in purpurrotes Licht. Gabe stieg aus. Die Schranke war nicht mit einem Schloss gesichert, sodass er sie von Hand öffnen konnte.
Als er auf das verlassene Gelände fuhr, warf er Helen einen Seitenblick zu und sah, dass sie ganz steif im Sitz saß und so angespannt wirkte, wie er sich fühlte. Sie drehte ihm den Kopf zu, und tiefe Sorge lag in ihren goldbraunen Augen. Er wusste, was sie dachte. Die arme Mallory war hier draußen ganz allein mit den Leuten vom Sicherheitsdienst des Schutzgebiets. Sie musste ziemlich eingeschüchtert sein, ziemlich verängstigt.
Gabe hätte seine Frau gern beruhigt, doch ihm missfiel das ungute Gefühl in seinem Bauch. Irgendetwas stimmte nicht. Während er den Wagen zum Parkplatz lenkte, ging er in Gedanken noch einmal durch, was Helen ihm erzählt hatte. Es war untypisch für Mallory, ihren Hund allein zu lassen. Außerdem hatte sie nie erwähnt, dass es unter Teenagern angesagt war, hier in Back Bay herumzuhängen.
Er fuhr auf einen der Stellplätze und stellte überrascht fest, dass Westys 300 ZX auf der Strandseite des Parkplatzes stand. Es war das einzige andere Zivilfahrzeug.
Auch Helen erkannte das Auto. »Da steht der Wagen deines Chiefs.«
»Der Master Chief hat es sich für sein Date mit Leila geliehen. Sie müssen irgendwo hier draußen sein.«
»Leila hat ein Date mit dem Master Chief?«, fragte Helen interessiert.
Gabe lachte leise. »Ich glaube, Amors Pfeil hat ihn getroffen.«
Nahe dem Informationsbüro standen noch der Jeep eines Park Rangers und ein Polizeiauto. Gabe stutzte. Der Streifenwagen glich exakt dem, der ihn beinahe überfahren hatte.
Helen war bereits aus dem Jaguar gestiegen und ging auf das Büro, einen grauen Holzbungalow, zu.
»Warte mal«, rief Gabe und eilte ihr nach. »Die Sache gefällt mir nicht«, gestand er und wog ab, welche Möglichkeiten ihnen blieben. Auf einmal wünschte er sich, er hätte Rodriguez nicht einfach so zurückgelassen.
»Komm schon, Gabe«, drängte Helen und griff nach einer seiner Hände. »Mal muss doch Todesängste ausstehen!«
Vielleicht. Vielleicht litt er unter Verfolgungswahn – aber vielleicht auch nicht. Was war, wenn sein gesichtsloser Widersacher zu extremen Mitteln gegriffen hatte, um Gabe von seinen Männern zu trennen? Was, wenn er Mallory entführt hatte, um ihn in diese abgeschiedene Gegend zu locken?
Seine Gedanken überschlugen sich. Im Moment konnte er allerdings nichts weiter tun, als sich auf alles gefasst zu machen. Beim ersten Anzeichen von Schwierigkeiten würde er handeln. »Bleib hinter mir«, sagte er und hielt Helen mit einem Arm zurück.
Mit einem genervten Blick trat sie hinter ihn.
Vorsichtig näherten sie sich dem Bungalow. Bis auf das Rauschen des Meers und das Pfeifen des Winds im Seegras war es unheimlich still. Ihre Schritte klangen überlaut, als sie die hölzernen Stufen hinaufgingen. Sie hatten die massive Holztür gerade erreicht, da öffnete ein großer Mann in Polizeiuniform sie. »’n Abend«, grüßte er knapp.
Obwohl die untergehende Sonne das Licht vom Himmel zu saugen schien, trug der Mann verdächtigerweise eine dunkle Sonnenbrille. Doch Gabe erkannte ihn an der Kinnpartie wieder. Ohne auch nur eine Sekunde zu zögern, packte er den Mann bei den Haaren, riss ihn nach vorn, rammte ihm ein Knie in die Magengrube und versetzte ihm mit beiden Handkanten Nackenhiebe. Der Cop brach bewusstlos zusammen und stürzte mit dem Gesicht voran auf die Holzveranda.
Sprachlos
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