Aus Dem Dunkel
seltsames Gefühl musste es sein, sein eigenes Haus nicht mehr wiederzuerkennen, dachte sie.
Mallory beugte sich über die Rückenlehne und betrachtete sein Profil. »Du erinnerst dich nicht«, vermutete sie.
»Nein«, gestand er. »Aber es gefällt mir. Besonders die Blumen.«
Helen blinzelte. Nicht im Traum wäre sie auf die Idee gekommen, dass Gabe etwas Derartiges sagen würde. Er hatte sich nie die Zeit genommen, auf solche Dinge wie Pflanzen zu achten. Sie stieß die Fahrertür auf und sprang aus dem Wagen.
Heute trug sie einen Jeansrock und ein pfirsichfarbenes Oberteil. Warmer Sand rieselte in ihre Sandalen, während sie um den Wagen herumging, um Gabes Sachen aus dem Kofferraum zu holen.
Das Krankenhaus hatte ihm eine Tüte mit seinen Sachen mitgegeben, zu denen auch eine Visitenkarte gehörte, die von jemandem vom militärischen Geheimdienst stammte. Sie hatte auch Gabes Rezepte in die Tüte gesteckt, und er hatte das Krankenhaus mit nur wenigen Habseligkeiten verlassen.
Sie schloss den Kofferraum und beeilte sich, Gabe beim Aussteigen zu helfen, aber Mallory hatte sich bereits einen seiner Arm um die Schultern gelegt. Helen hielt einen Moment inne und betrachtete das Bild, dass die beiden boten. Noch nie zuvor hatte sie erlebt, dass Gabe sich von jemandem hatte helfen lassen, schon gar nicht von einem Teenager.
Gabe hörte, dass im Haus ein Hund laut bellte. Es war ein schönes Geräusch, fast so schön wie die Blumen, die sich im Wind bogen. Helen lief die Stufen hinauf, ihre Sandalen schlugen bei jedem Schritt gegen ihre Fußsohlen. Er merkte, dass er ihre wohlgeformten Beine bewunderte, und genoss das Gefühl, verheiratet zu sein.
»Bevor du aufgebrochen bist, hast du uns einen Welpen gekauft«, erklärte Mallory. »Du wolltest ihm noch Manieren beibringen, aber du hast nie die Zeit dazu gefunden, deswegen ist er immer noch ein bisschen wild.«
Helen öffnete vorsichtig die Tür, und sofort erschien in dem Spalt eine Nase. Der Hund drückte die Tür weiter auf und zwängte sich hinaus. Gabe sah, dass es ein gelber Labrador war, während das Tier die Stufen hinuntersprang und sich voller Begeisterung auf ihn warf.
»Hoppla!«, rief er und hatte Mühe, das Gleichgewicht zu halten. »Wer bist du denn?«
»Pris, sitz!«, befahl Helen.
Mallory versuchte, den Hund wegzuziehen. Gabe musste über den Angriff mit der nassen Zunge lachen. Noch nie in seinem Leben hatte er eine so freudige Begrüßung erlebt. Es gefiel ihm.
»Pris!«, rief Helen erneut, diesmal besorgter.
Mallory bekam das Halsband des Hundes zu fassen und zerrte ihn fort. »Tut mir leid«, meinte sie zerknirscht.
»Schon okay.« Gabe tätschelte den Hund, der sich inzwischen hingesetzt hatte und hechelnd zu ihm aufsah. »Guter Junge.«
»Sie ist ein Mädchen«, erklärte Mallory. »Ihr Name ist Priscilla. Wir rufen sie Prissy, aber du hast das nie gemocht.«
»Vielleicht habe ich geglaubt, der Hund würde einen Komplex bekommen«, meinte Gabe.
»Ja«, sagte Mallory und lächelte.
Gabe sah hinauf zu der Tür seines Hauses, die jetzt nur noch ein paar Schritte von ihm entfernt war. Nichts daran kam ihm bekannt vor. Aber da war Helen. Sie stand mit seiner Tüte in der Hand auf der Treppe. Wenn er in ihre goldbraunen Augen sah, schlug sein Herz schneller. Er fand selbst ihre Art, zu atmen, einfach umwerfend. Vielleicht würde er nie wieder ein SEAL sein, aber seine Frau war das Beste, was ihm je passiert war. Sie allein war der Grund dafür, dass er nicht seinen Lebensmut verlieren würde.
Sie schickte den Hund ins Haus, und Gabe folgte ihr die Stufen hinauf. Er war todmüde, als er durch die Tür trat. Einen Moment blieb er stehen, um wieder zu Atem zu kommen. Irgendetwas Bekanntes schlug ihm entgegen, das ihm half, ein Stück seiner Verwirrung zu überwinden.
Es war das Innere des Hauses. Wie es dort roch. Er holte tief Luft, roch das Holz der Balken, das Salz der See und Helens verstörend vertrauten Duft. Sie lief in der Küche umher, warf ihm kleine Blicke zu, ließ ihm aber Zeit, sich erst einmal umzusehen.
Mallory drückte sich an ihm vorbei und schloss die Tür. »Na?«, erkundigte sie sich hoffnungsvoll und sah zu ihm hoch.
Er blickte ihr in die Augen und lächelte. Die Sommersprossen auf ihrer Nase ließen sie aussehen wie einen Kobold – oder vielleicht waren es die kurzen Haare, die ihre Kopfform betonten. »Es riecht gut«, sagte er und sah sich um.
Der Hund drehte eine Runde durchs Haus und kam bellend
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