Aus Dem Dunkel
sich an einer Nuss, rang nach Atem und fuhr herum. »Himmel! Ich hatte dir doch gesagt, dass du dich nicht so an mich heranschleichen sollst!« Sie hustete, um ihre Kehle wieder freizubekommen.
»Tut mir leid.« Ihm fiel eine Locke seines Haars in die Stirn, sodass er besonders zerknirscht wirkte. »Fährst du schon zur Arbeit?« Er musterte sie von Kopf bis Fuß, und seine Augen leuchteten vor unverhohlenem Interesse. Sie konnte sich nicht vorstellen, dass sie in Navy-Jogginghosen besonders sexy aussah, aber sein Blick sagte etwas anderes.
»Ich versuche immer noch aufzuarbeiten, was liegen geblieben ist«, erklärte sie. Sie warf ihm einen kurzen Blick zu. Er sah aus, als wäre er fast die ganze Nacht lang auf gewesen. Sein Haar war zerzaust, und seine Lider wirkten schwer – eine überraschend anziehende Kombination.
Sie trat zur Seite und schenkte sich ein Glas Orangensaft ein. Während sie es herunterstürzte, versuchte sie, nicht darüber nachzudenken, warum er dort stand und sie anstarrte.
Sekunden vergingen, und ihr wurde immer unbehaglicher zumute. Er verfolgte sie, wie die große Wildkatze, von der er seinen Namen hatte. Sobald er hungrig genug war, würde er sie anfallen – das hatte er immer schon getan. Doch im Moment stand er einfach nur da und fixierte sie mit diesem bohrenden Blick.
Fass mich nicht an. In Gedanken schickte sie ihm diese Warnung. Wenn du mich berührst, werde ich in deinen Armen zerschmelzen wie Butter, und ich werde es mir niemals verzeihen.
Er behielt die Hände bei sich. Sie wusste nicht, ob sie dankbar oder enttäuscht sein sollte.
»Also, ich muss gehen«, sagte sie und benutzte damit dieselben Worte wie er am Tag zuvor. Sie stellte ihr Glas in die Spüle und ging in Richtung ihres Schlafzimmers, um sich die Haare zu bürsten und die Zähne zu putzen. Der Gabe, den sie kannte, würde ihr folgen und auf dem Kingsize-Bett über sie herfallen. Sie hatte ganz weiche Knie, während sie den Flur hinunterlief.
Als sie das Schlafzimmer erreicht hatte, wurde ihr bewusst, dass er ihr nicht nachkam. Sie machte sich zurecht und betrachtete ihr Spiegelbild. Die Enttäuschung stand ihr deutlich ins Gesicht geschrieben.
Wartete er darauf, dass sie einen Schritt auf ihn zuging? Das würde nicht passieren, sagte sie zu sich selbst. Wenn sie ihm erläge, würde sie es wieder mit Gefühlen zu tun bekommen, ohne die sie bedeutend besser klarkam. Emotionen, die es ihr so viel schwerer machen würden, das Band zwischen ihnen zu kappen. Leila hatte sie darauf hingewiesen, dass er vielleicht Sex benutzen würde, um zu bekommen, was er wollte. Gott sei Dank tat er es nicht. Es war auch besser so.
Mit strahlend weißen Zähnen und frisch gekämmtem Haar verließ sie ihr Zimmer und ging geradewegs zur Haustür, weil sie sich nicht noch einmal aufhalten lassen wollte. Die Tür zum Arbeitszimmer war geschlossen. Dahinter schien alles ruhig zu sein.
Warum, fragte sie sich, fühlte sie sich auf einmal so allein?
Gabe verlängerte seine Schritte. Es ging nichts über einen Lauf am frühen Morgen, um die Lebensgeister zu wecken und die Gedanken daran, mit seiner Frau zu schlafen, aus seinem Kopf zu vertreiben. Mit Mallory zu joggen, hatte ihm eine demütigende Lektion erteilt: Wenn er zurück ins Team wollte, musste er unbedingt wieder in Form kommen. Für einen SEAL war es nichts Besonderes in einer einzigen Nacht mit jeder Menge Ausrüstung auf dem Rücken viele Kilometer zurückzulegen. Es hatte Zeiten gegeben, in denen er solche Strecken gelaufen war, ohne besonders ins Schwitzen zu geraten. Gestern hatte er nur knapp zwei Kilometer geschafft und dabei nichts außer einem federleichten T-Shirt und Shorts getragen.
Er stieß ein angewidertes Grunzen aus. Zumindest fühlte er sich an diesem Morgen gut – er hatte ein bisschen Muskelkater von dem gestrigen Trainingslauf, war aber trotz seiner schlaflosen Nacht überhaupt nicht müde. Er verließ das Haus noch vor Helen – denn in ihrer Gegenwart traute er sich selbst nicht über den Weg. Er hatte vor, Mallory bis halb acht schlafen zu lassen, um sie dann aus dem Bett zu scheuchen, damit sie mit der Arbeit an der Terrasse beginnen konnten.
Die frische Morgenluft füllte seine Lungen. Sie wehte von der See herüber und trug den salzigen Geruch des Atlantiks und von nassem Sand mit sich. Die Sonne warf ihre ersten Strahlen über den Horizont. Während er lief und dabei seine Arme und Beine in einem regelmäßigen, leichten Rhythmus bewegte,
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