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Aus Dem Dunkel

Aus Dem Dunkel

Titel: Aus Dem Dunkel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marliss Melton
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beobachtete Gabe, wie der silbrige Himmel langsam ein pfirsichfarbenes Gelb annahm.
    Ach, verdammt, ich habe diese Sonnenaufgänge vermisst! Mit einem Kloß im Hals gestand er sich diese Tatsache ein. Obwohl er sich nicht mit Sicherheit daran erinnern konnte, ob er sie gesehen hatte, sagte ihm sein Instinkt, dass man ihm Morgen wie diesen vorenthalten hatte. Daher genoss er seine körperliche Freiheit, die Sonnenstrahlen auf seinem Gesicht, den Wind, der seinen vom Training verschwitzten Körper kühlte. Nein, das hatte er seit über einem Jahr nicht mehr erlebt.
    Ich danke dir, Gott! , dachte er und schloss voll tiefer Dankbarkeit kurz die Augen. Danke für diese zweite Chance! Es war nicht nur eine zweite Chance, frei zu sein, sondern auch eine Chance, wieder eine Beziehung zu seiner Frau und seiner Stieftochter aufzubauen. Er hatte sich beiden gegenüber immer sehr reserviert verhalten. Wenn man seine Begeisterung für die Arbeit berücksichtigte, war das nicht sonderlich verwunderlich. Was ihn allerdings verblüffte, war seine Bereitschaft, sich jetzt auf Gefühle einzulassen, vor denen er sich zuvor stets gefürchtet hatte – auf Liebe, die so überwältigend war, dass sie ihm fast den Atem zu rauben schien. Er hatte eine Heidenangst, besonders vor Helens Drohung, ihn abzuweisen. Aber während seiner Gefangenschaft, und vielleicht gerade deswegen, hatte er sich verändert. Er wollte das emotionale Risiko eingehen, jemanden zu lieben, wirklich zu lieben. Als er an diesem Morgen Helen beobachtet und gesehen hatte, wie sehr sie sich für ihren Beruf einsetzte, wie entschlossen sie war, stark und unabhängig zu sein, hatte er sie von ganzem Herzen bewundert. Ungeachtet ihres Widerstands war er es ihr schuldig, ihr das zu geben, was er ihr längst hätte geben sollen: seine bedingungslose Zuneigung.
    Gabe spürte, dass seine Lungen schmerzten, und verlangsamte sein Tempo. Der Sandfiddler Drive lag an diesem Morgen verlassen da, die Feriengäste schliefen noch. Nur ein, zwei Anwohner waren auf, hinter ihren Küchenfenstern brannte Licht. Es schien alles so friedlich zu sein – einfach perfekt.
    Wann immer er konnte, wollte er fortan morgens einen solchen Lauf machen und sich am Rauschen der Brandung, der Schönheit des Sonnenaufgangs und an dem Wissen erfreuen, dass seine Familie in Sicherheit war und von Männern wie ihm gut beschützt wurde. Sie waren Beschützer der Freiheit.
    Doch die Realität des Lebens deckte sich nicht mit seiner idealisierten Vorstellung. Wenn er sich nicht vorsah, würde seine Familie vielleicht bald nur noch aus einer Exfrau und einem verlassenen Stiefkind bestehen. Und er selbst war mehr eine Last für die Steuerzahler, denn ein Beschützer der Freiheit.
    Während seine Stimmung in den Keller zu sinken drohte, begann Gabe stechende Schmerzen in seinen untrainierten Muskeln zu spüren. Als er hinter sich einen Wagen kommen hörte, verließ er die Straße und beschleunigte seinen Schritt, um nicht so armselig zu wirken, wie er sich fühlte.
    Bei einem Blick über die Schulter erkannte er einen Streifenwagen, der offenbar seine morgendliche Runde fuhr. Gabe straffte die Schultern und nahm wieder eine aufrechte Haltung an. Hier gab es noch jemanden, der für Frieden sorgte, der darauf achtete, dass sich am Strand keine Diebe und anderes Gesindel herumtrieben. Wahrscheinlich war es die Nachtschicht, die nach einem langen Dienst ins Revier einrückte.
    Oh ja , dachte er. Es war gut, dass es Männer und Frauen gab, die bereit waren, die Heimatfront zu verteidigen. Bald schon würde er wieder zu ihnen gehören, schwor er sich.
    Auf einmal bemerkte er, dass der Wagen dicht hinter ihm fuhr, und sein Herz machte einen Sprung. Er hörte den Motor, hörte den Sand, der von den Rädern aufgewirbelt wurde, als sie die Straße verließen.
    Gabe warf einen Blick zurück, weil er dachte, der Fahrer habe ihn vielleicht nicht gesehen oder mache einen Scherz. Doch zu seinem Entsetzen heulte der Motor auf, und der Wagen rammte gegen die Rückseite seines Oberschenkels.
    Gabe hatte gerade noch genug Zeit, sich mit den Füßen abzustoßen und über die Motorhaube abzurollen, um nicht unter den Wagen zu geraten. Für einen kurzen Moment konnte er dem Fahrer ins Gesicht blicken, einem Mann mit kantigem Kinn und stählernen Augen. Dann stieß Gabe mit einer Schulter gegen den Seitenspiegel auf der Beifahrerseite und flog mit einem Salto durch die Luft.
    Wie durch ein Wunder gelang es ihm, auf den Füßen zu

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