Aus dem Jenseits verfolgt (German Edition)
gab ihr die Antwort. Er schnüffelte an der Erde und folgte kläffend und winselnd einer unsichtbaren Spur. Phoebe schaute sich den Boden an. Sie konnte tiefe viereckige Eindrücke erkennen, die weit auseinander lagen und sich leicht übersehen ließen.
Die Farmerin stellte den Kleintraktor ab und stieg wieder in den Sattel.
»Such, Grub!«, rief sie und ritt im Schritt hinter dem Pit Bull her.
Der Fährtenhund führte die Farmerin über die Felder, ein Stück auf einem Feldweg und dann durch die Ackerfurche. Phoebe passte genau auf. Immer wieder sah sie die viereckigen Eindrücke, wie von Stelzen. Aber ein auf Stelzen gehender Mensch, und sei er ein Hüne, konnte unmöglich einen anderen auf den Schultern tragen.
Old Grub blieb vor einer Rübenmiete stehen und gab Laut. Phoebe saß ab und band ihre Stute an einem Strauch an.
Der Pit Bull scharrte in der Miete, dass Erde und Stroh wegflogen. Der Hund wühlte sich in die Miete, bis er auf die Runkelrüben stieß. Mit der Schnauze und einen Pfoten räumte er welche weg.
Phoebe griff mit zu, ungeachtet dessen, dass sie sich schmutzig machte wie ein Erdschwein. Sie hatte schreckliche Angst, auf Frank Custers Leiche zu stoßen. Ihretwegen war er auf der Farm geblieben, das wusste sie genau.
Wenn Frank etwas zugestoßen wäre, hätte Phoebe sich das nie verziehen.
Doch dann hörte sie seine ächzende Stimme: »Habt ihr mich gefunden? Da bellt doch Old Grub. – Gott sei Dank.«
»Frank, du lebst?«, rief die Farmerin und verdoppelte ihre Anstrengungen.
Custer antwortete. Er kriegte jetzt mehr Luft. Es dauerte keine fünf Minuten mehr, bis Phoebe und ihr Hund auf den Gefesselten stießen. Ein stabiles Taschenmesser hatte Phoebe immer einstecken. Sie durchschnitt Custers Fesseln und half ihm, sich auf die Füße zu stellen.
Der Knecht war von Kopf bis Fuß mit Dreck beschmiert, hatte eine große Beule am Kopf und konnte sich kaum aufrecht halten.
»Wie geht's dir, Frank, altes Haus?«
»Wie meinem Namensvetter, dem General Custer, der allerdings nicht zu meinen Ahnen zählt, nachdem die Sioux ihn massakriert hatten. Mein armer Kopf! – Phoebe, sei mir nicht böse, aber ich bleibe keinen Tag länger auf der Starr-Farm. Hier bin ich meines Lebens nicht sicher. Du glaubst nicht, was ich für eine Angst ausgestanden habe.«
»Doch, Frank, das kann ich dir nachfühlen.«
Phoebe half ihrem Knecht, aus der Grube zu steigen. Dann fragte sie ihn, was geschehen war. Frank Custer erzählte ihr alles. Dann berichtete ihm Phoebe, was sie erlebt hatte. Custer wurde noch blasser, als er sowieso schon unter dem Schmutz war.
»Dann hilft nur die Flucht. Randys Geist hat es auf uns abgesehen. Hoffentlich verfolgt er uns nicht, wenn wir von der Farm weggehen.«
»Du kannst sie verlassen, Frank, aber ich nicht. Ich bleibe.«
»Dann musst die verrückt sein. Mich halten keine zehn Pferde hier. Nein, dass ich von Geistern bedroht und am Ende noch umgebracht werde, davon ist in meinem Arbeitsvertrag nicht die Rede. Ich habe schon immer an Spuk geglaubt. Es gibt zahlreiche Spukgeschichten in Texas – die Comanchen-Geisterreiter, die in Sturmnächten über den Himmel reiten, Gespenster in Geisterstädten« – so hießen verlassene Goldgräbersiedlungen, die seit vielen Jahren zerfielen – »und die Geister gewaltsam ums Leben gekommener. Hier ganz in der Nähe, in Kerrville, soll das Gespenst eines im vorigen Jahrhundert zu Unrecht Gehenkten umgehen. Dann ist da der skelettartige Revolvermann Pecos Jake, der schon mehr als einen tötete.«
»Ich kenne diese Pecos-Jake-Geschichten«, sagte Phoebe. Aus der Todesnot erlöst, wurde ihr sonst eher wortkarger Knecht zu einem sprudelnden Wasserfall von Worten. »Jedes Mal, wenn irgendein obskurer Sauf- oder Raufbold einem Herzschlag oder sonstigen plötzlichen Krankheitstod erlegen ist, heißt es, er hat Pecos Jake gesehen. Pass bloß auf...«
Phoebe hatte sagen wollen: ... dass du ihm nicht auch begegnest. Doch in dieser Situation mochte sie nicht auf den hohen Whiskykonsum ihres treuen Helfers anspielen.
»Das andere ist genau solcher Blödsinn«, sagte sie stattdessen.
Frank Custer bekreuzigte sich.
Er schaute sich um und flüsterte dann, als ob er Angst hätte, belauscht zu werden: »Fordere dein Schicksal nicht heraus, Phoebe Starr. Man soll die übernatürlichen Mächte nicht reizen. Wie kannst du bloß noch so sprechen, nach allem, was du erlebtest?«
»Wie soll ich denn sonst sprechen?«, fragte Phoebe, und sie dachte:
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