Aus dem Leben eines Lohnschreibers
Kontakt mit anderen Ferienhausbesitzern aus Deutschland mied ich, so gut es ging. Auch ans Meer fuhr ich selten. An der Küste war es heiß und drückend. Ein bißchen verrückt, in einem schönen Haus in einer schönen Gegend Tag und Nacht vor Computern zu sitzen, mehr eine Wühlmausarbeit für Wintertage. Mittags allerdings gönnte ich mir eine Stunde in der prallen Sonne. Das gilt heute als gefährlich, aber ich habe danach komischerweise immer das Gefühl, etwas für die Gesundheit und gegen die Krebsgefahr getan zu haben. Wie eine Batterie komme ich mir vor, die in der Sonne aufgeladen wird. Ich fing an, die Einsamkeit zu mögen und über das grausame Abtauchen meiner letzten Flamme hinwegzukommen. Ich wurde sehr braun und sehr schlank und hatte das Gefühl, daß das Leben noch nicht zu Ende ist.
Was in der Welt los war, wußte ich nicht. Es gab keinen festen Telefonanschluß im Haus, da hatten die Besitzer wieder einmal gespart. Keinen Internetzugang, und damit keine neuesten Nachrichten. Kann auch mal nicht schaden, sagte ich mir. Ende August wollte ich das Haus verlassen und es einem befreundeten Paar der Besitzer übergeben, die den September über hier wohnen würden. Meine Laune stieg, das Ende der Arbeit war abzusehen. 90 Prozent der Daten hatte ich auf meinen schicken neuen Laptop und zusätzlich auf eine schicke neue externe Sicherheitsfestplatte transportiert. Endlich Ordnung, Übersicht, Zugriff, keine unzugänglichen Texte mehr.
Als ich Mitte August mein mittägliches Sonnenbad genommen hatte, vor dem die Hautärzte so eindringlich warnen, fühlte ich mich wie immer wie neu geboren. Ich hatte tief geschlafen, duschte kalt und ging in das schöne, relativ kühle Zimmer zu meinen Computern. In wenigen Tagen würde ich mit meiner Datenräumerei fertig sein. Alles wäre picobello und ideal für ein Buch: Ich konnte all meine unveröffentlichten Texte auflisten, wie ich wollte, chronologisch oder nach Themen. Ich hatte Ordnung in mein Leben gebracht und fühlte mich, wie sich Sauberkeitsliebhaber nach dem Frühjahrputz fühlen. Ich sah das fertige Buch vor mir, das der Verleger haben wollte, und obwohl ich auch aus Erfahrung schlau geworden und eines Besseren belehrt sein sollte, sah ich gute Kritiken und erfreuliche Verkaufszahlen am Horizont, ein besseres Auto, eine neue Waschmaschine und ein Jackett aus weicherer Wolle.
Am meisten freute ich mich, die alten Computer hier in Italien wegzuwerfen und die Rückfahrt ohne den Müll anzutreten, nur mit meinem neuen Laptop und der externen Festplatte mit der Sicherungskopie. Auf zu einem neuen Leben in mehr Ordnung und Selbstbegreifen! Statt der alten Computerungetüme würde ich riesige Flaschen des köstlichen Weißweins mit nach Hause nehmen und den ganzen Herbst und Winter ein guter Trinker und Gastgeber sein.
Als ich die Computer startete, bemerkte ich, daß der smarte Laptop und die smarte Festpatte fehlten. In diesem Augenblick fielen mir die Warnungen der Hausbesitzer vor den Einbrechern ein: Albanische Banden klauten keine Möbel mehr, sondern teures, möglichst transportables elektronisches Gerät: Digitalkameras, mp3-Player, iPods, Laptops.
Ich hatte die Nacht zuvor bis tief in den Morgen gearbeitet, und tief war daher mein Mittagschlaf gewesen. Die unverfrorenen Diebe mußten mich nackt auf der Wiese vor dem Haus schlafen gesehen haben. Dann mußten sie den Raum durch die offenen Türen betreten, sich mit kundigem Blick umgesehen und die einzig kostbaren Geräte an sich genommen haben, um anschließend sofort zu verschwinden, höchstwahrscheinlich zu Fuß, ohne lärmendes Auto oder Motorrad.
Bei der Polizei gab man mir zu verstehen, daß es erstens keine Italiener seien, die so etwas täten, nicht einmal Sizilianer, sondern daß dies die Handschrift von Albanern sei. Die hätten keine Papiere, quasi keine Identität, es sei aussichtslos, sie zu verfolgen. Früher hätte man sich bemüht und den einen oder anderen geschnappt, den man dann wieder hätte laufen lassen müssen - weil die Identität nicht festzustellen war. Und, um Klartext zu reden, durch offene Türen einen Raum zu betreten sei nicht einmal ein Einbruch. »Wenn der Dieb tatsächlich je vor Gericht stünde, würde er behaupten, er hätte vorher gefragt, welche Geräte er mitnehmen solle - und Sie hätten von Ihrer Liege aus die Anweisung gegeben. Sein Komplize würde das bestätigen.«
Haß und Weltekel kamen über mich, wie schon lange nicht mehr. Ich verwünschte Bill
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