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Aus dem Leben eines Lohnschreibers

Titel: Aus dem Leben eines Lohnschreibers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph von Westphalen
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genervt von der Verzögerung des Aufbruchs. Ich kannte mittlerweile dieses Haus und diese Leute. Ich hatte vor wenigen Tagen mit den Besitzern gesprochen. Nein, noch nie sei bei ihnen eingebrochen worden, hatten sie gesagt und taten so, als geschehe das nur bei Leuten, die sich nicht richtig in Italien integriert hätten.
    Nun fuhr ich unbemerkt in die Nähe dieses Hauses, parkte das Auto so versteckt wie möglich unter Bäumen, und ging zu Fuß weiter. Ich näherte mich so, daß mich der Späher von der Straße oben nicht sehen konnte. Das häßliche große Familienauto fuhr nun endlich ab. Es dauerte keine zehn Minuten, da kam ein hübsches junges Paar des Wegs, nett anzusehen, Studenten mit kleinen, deutlich ungefüllten Rucksäcken. Sie machten vor dem Haus halt und riefen, was man in Italien ruft, wenn man nähertreten möchte: »Permesso?« Darf ich? Keine Antwort. Der junge Mann ging kurzentschlossen auf die Tür zu. Ein Ruck und sie war offen. Permesso? rief er ins Haus. Stille. Da winkte er die Begleiterin herein. Wenig später schlich ich mich auch ins Haus. Die beiden waren schon im ersten Stock. Verteilt in verschiedenen Zimmern. Ich folgte leise dem Mann und sah, wie er Schubladen auf und zu zog und blitzschnell fündig wurde. Auf einem Bett lag eine Digitalkamera. Er nahm sie kurz. Von hinten konnte ich sehen, wie er lächelte und sie wieder hinlegte. Nicht gerade das neueste Modell. Da klingelte sein Handy. Eine Melodie aus »La Traviata«. Vermutlich hatte der Späher doch bemerkt, daß ein weiterer Mensch ins Haus gekommen war. Der Dieb ließ es dreimal klingeln, weil er gerade das Innere einer Schublade nach weiterer Beute abtastete. Jetzt oder nie.
     
    In meinen Rachephantasien der letzten Tage hatte ich gedanklich trainiert: Wie schlägt man jemanden wirkungsvoll zusammen. Eine Hornisse war das größte Lebewesen, das ich bisher erledigt hatte. Schon bei dicken Käfern passe ich, von netten Mäusen mit Angstaugen ganz zu schweigen. Jetzt aber ließ mich die Wut, daß vermutlich dieser Mensch mein Dreimonatswerk hatte mitgehen lassen, zu einem Berserker werden. Er trat ans Fenster, als würde er die Aussicht genießen, und griff endlich zum Handy. Kaum war die Verbindung da, fuhr er herum. Ich stand direkt hinter ihm. Ich hatte einmal gelesen oder von einer Frau gehört: So fest es geht in die Eier treten, und wenn er sich krümmt, mit aller Kraft gegen das Kinn. Mehr eine Methode, Vergewaltiger abzuwehren. Nicht die feine Art. Aber es wirkte. Ich bin alles andere als kräftig. Dieser Mann allerdings war eher zart. Tritt und Schlag genügten offenbar.
    In der Ecke stand ein Spazierstock. Ich wußte, ich sollte ihm besser den Stock auf den Kopf schlagen, damit er eine Weile sicher weg sein würde. Aber was, wenn der Schädel bricht? Er sah auch jetzt nicht so aus, als würde er gleich wieder zu sich kommen. Natürlich hatte er einen Schreckensschrei ausgestoßen. Ich nahm an, dieser Schrei würde seine Komplizin sofort vertreiben. Aber ich hörte sie rufen: »Berim?« Ich postierte mich hinter der Tür. Das erste, was ich sah, war ein Messer. Sie kam tatsächlich mit einem Messer in der Hand. Sie floh nicht, sie wollte ihrem Berim beistehen. Langsam kam sie mit dem Messer in der Hand in den Raum. Jetzt wurde die Hand mehr und mehr sichtbar. Schöne Hand. Sie mußte den Feind hinter der Tür vermuten. Gleich würde sie herumspringen und mir das Messer in den Bauch stechen. Jetzt oder nie. Ich schlug mit dem Spazierstock fest auf ihr Handgelenk. Das Messer flog durch den Raum. Ihr Schrei war herzerweichend. Jetzt floh sie. Ich hatte doch ihn, das müßte genügen. Ich weiß nicht, warum ich ihr nachsetzte. Sie würde mir irgendwann ein Messer in die Brust stoßen, wenn ich sie jetzt nicht erwischte. Sie sprang vor mir die steile Steintreppe hinab zur offenen Eingangstür. Ich versuchte sie mit dem Stock zu erreichen und mit dem gebogenen Griff zu halten. Dabei muß ich sie gestoßen haben. Sie stürzte, schrie und blieb liegen. Ich sah sofort, daß ihr Unterschenkel über der hübschen Fessel gebrochen war.
    Ich dachte an die Polizei, die nichts unternimmt. Auch wenn die Polizei untätig ist: man darf nicht ihre Aufgaben übernehmen. Hausfriedensbruch hatten wir beide begangen, ich Körperverletzung. Vielleicht würde ich mit Notwehr durchkommen. Meinen Laptop würde ich nie wiedersehen. Ich ging hoch zu Berim. Höchste Zeit. Er begann gerade munter zu werden, war aber noch nicht da. Er hatte die

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