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Aus dem Leben eines Lohnschreibers

Titel: Aus dem Leben eines Lohnschreibers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph von Westphalen
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gewünschte Ware hier.« »So lange seid ihr meine Gäste«, sagte ich. »Mio piede«, sagte sie matt. Ihr Fuß schmerzte. »Wenn der Laptop hier ist, fahren wir ins Krankenhaus«, sagte ich.
    Ich gab ihnen zu essen und zu trinken. Ich erklärte Fatima, daß es einfacher wäre, nach Mafiamethoden vorzugehen: Schutzgeld dafür verlangen, daß man nicht einbricht. Ich zum Beispiel würde lieber vorher 200 Euro zahlen, wenn ich dafür sicher sein kann, daß mir nichts gestohlen wird. Sie sollten ihre Methoden überdenken.
    Am nächsten Tag rief ich unter einem Vorwand die Deutschen an, wo sich die Schlacht meines Lebens zugetragen hatte. Sie fluchten auf Italien und die italienische Polizei. Niemand kam, weil nichts fehlte. »Ragazzi«, hätte der Polizist nur gesagt, Jugendliche. Ein bißchen Vandalismus. Sie haben keinen Bock mehr auf Italien. Das Haus komme ihnen entweiht vor. Geschändet. »Seien Sie doch froh, daß nichts fehlt«, sagte ich. »Zwei Gürtel fehlen«, sagte er. Erinnerungen an einen Marokko-Urlaub.
     
    Zwei Tage später rief es leise »permesso?« Wir aßen gerade einen Obstteller. Es war der Späher. Ich hatte ihn neulich nur von hinten gesehen. Er war höchstens 14. Ein weiterer Bruder von Fatima, wie sich herausstellte. Er redete mit ihr. Sie sagte: Er weiß nicht mehr, welcher Laptop, er hat alle mitgebracht. Der Späher packte einen gigantischen Rucksack aus. Ein Dutzend neuester Laptops kamen zum Vorschein. Auch meine externe Festplatte. Alles funktionierte, nichts war gelöscht. Ich klappte den Laptop zu und drückte ihn an mich wie einen Schatz. Fatima sah mich fremd an, und ich begriff, daß man Sachen nicht so ins Herz schließen soll. Da umarmte ich sie vorsichtig, nicht ohne vorher »permesso?« gefragt zu haben. Dann löste ich Berims Fesseln. Auf Deutsch sagte ich zu mir selbst: Wenn sie mich jetzt erschlagen oder erstechen, ist das ein schöner und gerechter Tod.
    Fatima wollte nicht mehr ins Krankenhaus, aber ich sagte: Willst du vielleicht dein Leben lang humpeln? Ihre Brüder fuhren mit. Ich log auch diesem Arzt die Vergewaltigungsgeschichte vor. Fatima nickte eindrucksvoll. Sie hat keine Papiere, sagte ich. Das macht nichts, sagte der Arzt.
    Ich warf alle meine alten Computer mitsamt den Kabeln und Akkus und Ladeteilen und Bildschirmen in eine der großen Mülltonnen, die im säuberlich gewordenen Italien selbst in entlegenen Gegenden an der Straße stehen. Diese Umweltsünde mußte sein. Dann brannte ich meine Daten auf eine CD und schickte sie dem Verleger. Nun konnte nichts mehr passieren. Ich fuhr nach Norden, nach Hause. Es fiel mir schwer, und irgendwann wurde mir klar, daß es an Fatima lag, die ich nie mehr sehen würde.
     
    Die Geschichte müßte an dieser Stelle zu Ende gehen. Nach den ungeschriebenen Gesetzen des guten literarischen Stils hat hier Schluß zu sein. Mit milder Melancholie und einem unrealistischen Hoffungsschimmer muß der Leser allein gelassen werden. Das wahre Leben aber kümmert sich nicht um den guten literarischen Geschmack. Es ist, als habe das Leben eine Schwäche für Kitsch:
    Als ich nachforschte, wie die Hausbesitzer ausgeraubt wurden, hatte ich mit allerlei Betroffenen gesprochen und meine Adresse hinterlassen. Ein Jahr später kam ein Anruf von einem Untersuchungsrichter aus Ancona. Offenbar hatten die Geschädigten gegen den Willen der örtlichen Polizei doch eine Verhaftung der Diebe durchsetzen können. Man hatte eine albanische Bande gefaßt. Eine Frau und zwei Brüder. Die Brüder seien schon wieder entkommen. Die Frau sei noch im Gewahrsam der Behörden. Sie sei gewalttätig. Man sei aber nicht sicher, ob es die gesuchte Person sei. Auch ich gehöre zu den Geschädigten. Es liege eine Anzeige von mir vor. »Ich ziehe die Anzeige zurück«, sagte ich. »Wenn alle immer ihre Anzeigen zurückziehen, kommen wir nie weiter«, stöhnte der Richter und fragte, ob ich mich bedroht fühle. »Hat sie gestanden?« fragte ich. Natürlich hatte Fatima nichts gestanden. Der Richter schwieg einen Augenblick und sagte: »Sie haben damals angegeben, Sie hätten geschlafen. Sie haben die Einbrecher also nicht gesehen?« Ich dachte kurz nach und sagte: »Als ich aufwachte, entfernten sich die Diebe gerade.«
    Der Richter bat mich, zu einer Gegenüberstellung nach Ancona zu kommen. Den Flug zahlte das Gericht. Am Flughafen wurde ich von einem Polizeiauto abgeholt. Hinter einer Glasscheibe im Untersuchungsgefängnis standen sechs schöne Frauen. Fatima war

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