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Aus dem Leben eines Lohnschreibers

Titel: Aus dem Leben eines Lohnschreibers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph von Westphalen
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nicht durch die Tür gekommen, die ich doch dauernd im Blickfeld gehabt hatte. Sie erkannte mich sofort und lachte. Ich erkannte sie an ihren leuchtenden Zähnen, die tatsächlich einen breiten weißen Strich in ihrem Gesicht bildeten. Sie setzte sich, und wir duzten uns gleich. »Was ißt du da?« sagte sie »›Essen‹ ist gut«, sagte ich. Der Teller war noch immer voll. Susanne bestellte dieselbe Suppe und aß auch nicht. Wir stupsten unsere Schultern aneinander. Ich ließ einen Zug nach dem anderen fahren. Um zehn Uhr preßten wir Knie an Knie. Wir tranken Frankenwein. Ich mußte ihr mein Leben erzählen. Die Frauengeschichten hörte sie gern. Ich wunderte mich und zögerte. »Weiter, weiter«, sagte Susanne mit weißem Strich im Gesicht. Sie war Mitte Dreißig. Es machte ihr Spaß, von ihrem Leben wenig zu erzählen. Sie erzählte von ihrem Bett: Ein neues Bett. Zu groß. So groß, daß man über den Schreibtisch klettern muß, um hineinzukommen. »Wenn das nicht affengeil ist«, sagte sie.
    Am nächsten Morgen brachte sie mich zum Zug. Wir wollten im Bahnhofsrestaurant frühstücken. In unserem Restaurant. Geschlossen. Für immer. In den »Nürnberger Nachrichten« stand ein Bericht. Das Restaurant hatte seit Jahren schon nicht mehr wirtschaftlich gearbeitet. - Vielleicht war es deswegen so angenehm gewesen? Profit entwickelt keinen Zauber. Hat nur Charme, was untergeht? Susanne stieß mich in die Seite: »Du spinnst wohl!« Wir umarmten uns nicht, wir umklammerten uns. Ich dachte an Schiffe, die untergehen. Das frischverliebte Paar steht im schwankenden Kahn und sieht mit Schaudern den guten alten Dampfer sinken, der ihnen eben noch Zuflucht geboten hatte. Gestern die Rettung im Restaurant, das heute schon nicht mehr zu retten war. »Opern subventionieren die Schweine«, sagte ich, »solche Lokale müssen Zuschüsse kriegen!« Susanne nickte. »Wir haben ja uns«, sagte sie, und wir gingen zum Bahnsteig.

ganz wahr

Meine Kaschmirjahre
    Der Dresscode auf der Buchmesse ist härter als der Literaturkampf
    Zu spät, wie so oft ist es zu spät. Seit Wochen weiß ich nun schon, daß ich zur Buchmesse fahren werde. Ich hatte mir vorgenommen, den Besuch der Messe diesmal zum Anlaß zu nehmen, mir vorher etwas zum Anziehen zu kaufen. Frauen brauchen ja auch irgendwelche Anlässe, um neue Kleider, Röcke, Blusen, Hosen, Schuhe zu kaufen, meist Einladungen, zu denen sie die Neuerwerbungen in aller Regel dann doch nicht tragen. Männer trotzen mit Jeans und verwaschenen Polohemden den bürgerlichen Festlichkeiten, werden aber vor Messen nervös, was ihre Kleidung betrifft.
    Vielleicht hätte ich etwas gefunden, mit dem ich mich von der grauen Autorenschar abhebe - ein bißchen. Einen ungewöhnlichen Schal vielleicht. Manche Kollegen schaffen das. Egal, nicht zu ändern, jetzt nicht hadern, für eine Shoppingtour ist keine Zeit mehr. Zumal ich so dumm war, mich auf einen Zug festzulegen. Kostet weniger. Allerdings wird man die Fahrtkosten von seinem nicht am Hungertuch nagenden Verlag ohnehin zurückbekommen. Jedoch nur, wenn man die Fahrkarte einreicht. Die aber wird wie immer nach der Reise verschwunden sein und erst zwei Jahren später auftauchen. Also doch gut, wenn man sich auf einen Zug festlegt und günstig bucht. Weniger gut, daß man den gebuchten Zug auch ohne Kleiderkauf vermutlich nicht mehr erreichen wird. Keine Rücknahme des Tickets bei günstigen Sonderpreisen. Man wird also, wie es aussieht, den Zug verpassen, die Fahrt doppelt zahlen und obendrein langweilig angezogen sein.
    Also wieder das übliche in die Reisetasche. Bloß keinen Rollkoffer, das wäre das Ende des Selbstbewußtseins. Und froh sein, nicht Filialleiter einer Bank geworden zu sein, der es sich nämlich nicht leisten kann, abgetragene Absätze an den bequemen Schuhen zu haben. Statt eines Schals um den zunehmend welker werdenden Hals tut es auch ein über die Schultern gelegter Pullover.
    Zwei der Texte, von deren ständiger Verfertigung ich als unsubventionierter Poet nun einmal leben muß, waren noch bis kurz vor Abfahrt zur Messe fertigzustellen. Denn noch schlimmer, als immer das gleiche anzuziehen, ist es, den Laptop mitzunehmen und im Zug und Hotelzimmer seine Sachen zu Ende zu schreiben. Mit dem aufgeklappten Laptop vor der Nase kommt man sich auch mit abgetretenen Absätzen vor wie ein Filialleiter oder Autozubehörindustrievertreter auf Bezirksrundfahrt. Vor allem, wenn man einen grauen Anzug trägt. Und wie die Dinge liegen,

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