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Aus dem Leben eines Lohnschreibers

Titel: Aus dem Leben eines Lohnschreibers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph von Westphalen
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die Husterin hübscher wäre. Oder husten hübsche Frauen nicht? Oder hört man deren Husten nicht? Wer hat schon mal hübsche Frauen husten hören? Auch das sind sinnvolle Fragen. In Kassel verließ ich den Zug, um nicht zum Würger zu werden.
    Früher, als es mir gutging, hätte ich einen Essay über das Husten geschrieben. Jetzt, da ich mir verlassen vorkam, waren meine Inspirationen fern wie meine entglittenen Frauen. Der moderne Bahnhof trug zu meiner desolaten Laune bei. Ich mag keine moderne Architektur. Gute Architekten mögen sie selber nicht. Ich weiß, daß sie lieber in alten Häusern wohnen. Moderne Architektur ist nur mit schönen Frauen zu ertragen! Gut, diese Aussage könnte auch von einem schwulen Modeschöpfer stammen, aber sie ist verdammt wahr. Je moderner die Bauten, desto perfekter müssen die Beine der Frauen sein, die sich in oder um diese Bauten herum bewegen, so lautet die Gleichung. Wer heute bauen will, kriegt von mir diese Auflage. Sonst gibt es keine Baugenehmigung, basta. - Im Blumenladen waren die Versager nicht in der Lage, 50 Bund Petersilie und eine giftige Botschaft über Fleurop zu Ines nach München zu expedieren.
    Susanne fiel mir ein. Ärztin in Nürnberg, wo ich in einigen Stunden wenige Minuten Aufenthalt haben würde. In meiner Blütezeit als Autor hatte es nach einem unübertrefflichen Fanbrief von Susanne einen flirrenden Briefwechsel gegeben. Damals war mein Herz zu voll, um auch sie noch zu lieben. Wir wollten uns sehen, es klappte nicht. Jetzt, Jahre später, trank ich ein Glas schlechten Wein, der gut genug war, um mich an einige ihrer Briefstellen zu erinnern. Susanne war damals geschieden. Ihr kurzsichtiger Ehemann hatte sie an ihrem Mund erkannt, wenn er ohne Brille aus dem Meer stieg und nach seiner Frau am Strand suchte. Ihr Mund war groß, und wenn sie lachte, leuchtete eine breite Reihe weißer Zähne. An diesem weißen Strich war sie erkennbar. So weit ihre Selbstbeschreibung. Wenn ein neues Buch von mir erschienen war, mußten die Patienten nachts lange nach ihr klingeln. Fiel Post von ihrem Lieblingsautor in den Kasten, bekam sie »einen dicken, dicken Glückskopf«, wie sie schrieb. »Obwohl ich Metamorphosen nicht mag« - so ihr himmlischer Zusatz. Sofort bekam ich auch einen Glückskopf. Ich eignete mir ihr wunderbares Wort sofort an. Nie hatte ich mit ihr telefoniert. »Am Telefon bin ich nicht so gut«, schrieb sie.
    Jetzt rief ich sie an. Herzklopfen. Endlich wieder Herzklopfen! Hat schon mal jemand Herzklopfen vor einem Essen bekommen? Ich meine nur. Die Liebe ist dem Fressen um Längen voraus. Das Herz ist mehr wert als der Magen. Weiß auch nicht, warum ich immer das eine gegen das andere ausspielen muß. Ein boshafter und dummer Zug von mir. Aber ich bestehe auf Prioritäten. Ich pflege meine private Hierarchie der Organe und der Glücksgefühle.
    Sie war nicht zu Hause. Welche Ärztin ist mittags um halb zwei zu Hause. Kein Anrufbeantworter. Das gute, altmodische, zuverlässige Tuten ins Leere. Ich gab ein Telegramm auf. Glückskopf, weil man im Faxzeitalter noch Telegramme aufgeben kann. »Sitze nachher von 18 bis 21 Uhr im alten Nürnberger Bahnhofsrestaurant und rechne vorsichtig mit Ihrem Auftauchen.« Schon kurz vor fünf war ich in Nürnberg. Aufenthalte in Nürnberg liebe ich seit Jahren wegen des Bahnhofsrestaurants. Keine Ahnung, von wann der Bahnhof ist. Müßte doch im Krieg völlig zerbombt worden sein? Nazistadt und Eisenbahnknotenpunkt. Konnten die Alliierten doch nicht unzerstört lassen! Oder hatten die Bomber das Restaurant nicht getroffen? Egal alles heute. Ein hoher weiter Raum, vielleicht in den 50er Jahren renovierter Jugendstil, etwas in der Art, aber ich will auf diese Aussagen nicht festgenagelt werden. Jedenfalls ein Paradies der Übergangsreisenden, ein Fluidum, wie es weder in den Bahnhofsrestaurants im blöden Bonbon-München, noch in Stuttgart, Zürich, Wien, Ulm, Frankfurt, Würzburg, Hamburg, Bremen, auch nicht in Köln und Hannover zu finden ist - und schon gar nicht in Braunschweig. Endlich Platz, Platz, Platz und Weite in dieser verdammt vollgestopften Welt. Eine Oase der Geräumigkeit. Eigentlich kein Restaurant, sondern eine Art bewirteter Wartesaal. Nie voll besetzt, an jedem dritten Tisch ein Rentner, an jedem fünften zwei Vertreter - und ab und zu ein Liebespaar, weit weg, meist lautlos in erregter Unterhaltung. In der Luft der Geruch echter dünner Brühe - die Hotelküche in Davos könnte zu Thomas Manns

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