Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Aus dem Leben eines Lohnschreibers

Titel: Aus dem Leben eines Lohnschreibers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph von Westphalen
Vom Netzwerk:
daß Luxusnutten in so kurzer Zeit einen Tausender verdienen, erheiterte mich.
     
    Ob es einen Weihnachtsmann gibt? Ich bin nicht sicher, ob Du an Deine eigene Frage glaubst. Vermutlich willst Du gar nicht wirklich wissen, ob es wirklich den Weihnachtsmann gibt, sondern wie Erwachsene auf Deine Frage antworten. Ja, das interessiert Dich: wie die eine Sache erklären, die sie selbst nicht glauben, die sie aber immer wieder erzählen.
    »Erzähl mir keine Märchen!« sagt man und hört man oft, wenn vom Weihnachtsmann oder Christkind, von Osterhasen, Klapperstörchen, von Wölfen und Hexen die Rede ist.
    Aber Märchen sind nicht unbedingt zum Glauben da. Man kann sich etwas aus ihnen herauspicken. Es gibt richtige Märchenforscher. Und die behaupten, daß Kinder Märchen brauchen. So ungefähr, wie man Vitamine braucht. Das kann schon sein.
    Vor allem aber scheinen die Erwachsenen Märchen zu brauchen. Damit kann man nämlich Kindern gut etwas beibringen: Man kann ihnen zum Beispiel beibringen, daß sie vorsichtig sein sollen. Man kann ihnen kleine Schrekken einjagen. Man kann ihnen Versprechungen machen und sie vor Vorfreude zappeln lassen. Wenn Du brav bist, so heißt es oft, bringt Dir der Weihnachtsmann das gewünschte Geschenk. Solche Sprüche wirst Du kennen.
    Wenn Du das albern findest und naseweis herumerzählst, daß es den Weihnachtsmann nicht gibt, dann hast Du davon gar nichts. Und Du hast nicht einmal recht damit. Denn es gibt ihn ja. Zwar nicht in Wirklichkeit, aber in den Köpfen der Menschen. In der Phantasie. Die Menschen haben sich eine Vorstellung vom Weihnachtsmann gemacht. Sie haben Gedichte und Lieder auf ihn geschrieben. »Draußen vom Walde komm ich her« - Es klingt behaglich, wenn man so einen Satz im Wohnzimmer hört.
    Es gibt den Weihnachtsmann auf Adventskalendern und Weihnachtspostkarten. Dort ist er zu sehen mit Sack und Pack und Schlitten und vorgespannten Hirschen und wie er durch den Schnee stapft, den es bei uns an Weihnachten meist noch gar nicht gibt. Aber es ist doch eine hübsche Vorstellung. Jedenfalls hübscher als die Vorstellung, wie sich Erwachsene abgehetzt durchs Kaufhaus drängeln, um schnell noch ein paar Geschenke zu kaufen.
    Die Sache mit dem Weihnachtsmann ist so: Du weißt, es ist ein Schwindel, aber Du läßt Dich gern beschwindeln, weil es nämlich angenehm und vorteilhaft ist. Das ist auch in Ordnung. Du darfst nur nicht vergessen, daß es ein Schwindel ist.
    Wenn Du älter wirst, wird man Dir noch eine Menge Märchen erzählen und alle möglichen Versprechungen machen. Da wirst Du oft nicht gleich wissen, ob es geschwindelt ist oder nicht. Da mußt Du höllisch oder auch himmlisch aufpassen. Die Lehrer in der Schule, und später, wenn Du einen Beruf hast, Deine Chefs, und immer diese Leute, die sich Politiker nennen und die Du vom Fernsehen her kennst: Manches ist richtig, was die erzählen, aber - aufgepaßt! - meistens erzählen sie Märchen. Und das merkt man gar nicht so leicht, weil die nämlich oft selbst dran glauben.
    Du darfst nicht vergessen, daß viel geschwindelt wird. Sonst wirst Du verkohlt. Und dafür bist Du zu schade und zu schlau. Du kannst doch Weihnachtsmänner von Hampelmännern unterscheiden. Klar kannst Du das.
     
    Die Seite fuhr mit einem Transportdienst durch die Stadt in die Redaktion. Anruf. Also: Wunderbar, daß ich mitgemacht habe, die Texte von Gabriele Wohmann und Wolf Wondratschek seien auch schon da oder so gut wie da, und Luise Rinser wolle auch mitmachen. O Gott, dachte ich, o mein Gott, was habe ich getan. Nein, man sei noch nicht dazugekommen, meinen Text zu lesen, hieß es, als handle es sich um ein 20-Seiten-Manuskript. Aber ein Farbfoto solle ich umgehend rüberschicken, klar, wieder mit dem Transportdienst. Was, ich wolle nicht, daß ein Foto von mir abgebildet werde!? Also bitte, ich solle mich nicht so haben! Was, ich habe nur ein Schwarzweißfoto!? Dann werde ich eben fotografiert. Paßt es heute - nein? Also morgen früh um zehn.
    Tatsächlich kam anderntags ein Fotograf, der zwei bunte Filme verknipste. Und dann hörte ich erst einmal eine Weile nichts. Plötzlich war es überhaupt nicht mehr eilig. Nach ein paar Tagen wieder ein Anruf: Mein Text sei Spitze, ehrlich Spitze, echt Spitze, echt toll. - Aber? fragte ich. Spitze sei der Text, toll sei er, genau den Punkt habe keiner der anderen Autoren gebracht mit dem Schwindel, daß ich das angesprochen hätte mit dem Schwindel, das sei wirklich ganz prima. - Aber,

Weitere Kostenlose Bücher