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Aus dem Leben eines Lohnschreibers

Titel: Aus dem Leben eines Lohnschreibers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph von Westphalen
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aber, aber das Wort »Schwindel« sei ein Problem. Man wisse ja auch nicht warum, aber der verantwortliche Redakteur möge das Wort »Schwindel« nicht, der Text sei wirklich fabelhaft, es gehe allein um das Wort »Schwindel«, das Wort passe irgendwie nicht.
    Es paßte offenbar nicht zu Weihnachten. Es paßte nicht zur »Bunten«. Jetzt war es wirklich genug. Ausfall! rief ich. Man möge mir ein Ausfallhonorar zahlen, und fertig.
    Ich sollte an dieser Stelle erwähnen, daß die Person, mit der ich es zu tun hatte, viele Jahre später als nicht gerade fortschrittliche Kultursenatorin in Hamburg in Erscheinung trat und in ihrer Amtszeit immer wieder mit Kübeln von Häme übergossen wurde. Ich allerdings kann ihr nach meiner Weihnachtsmanngeschichte ein taktisch nicht ungeschicktes, irgendwie kautschukartiges Durchsetzungsvermögen bescheinigen, das auch unwillige Gegner durch beharrliches Nerven bei gleichzeitigem Einstecken von Beleidigungen vorläufig erlahmen läßt - eine Fähigkeit, die Politiker vermutlich gut brauchen können.
    Sie brachte es tatsächlich fertig, daß ich den Hörer nicht auf die Gabel warf (die Telefone hatten 1987 tatsächlich noch rudimentäre Gabeln). Sie beteuerte geradezu aufrichtig, es gehe nur um das Wort »Schwindel«, es sei zwar kindisch von der Redaktion, ja, das gebe sie zu, aber sie wolle meinen Text unbedingt bringen, es sei nämlich der beste Text, besser als der von der Rinser. Dazu gehört nicht viel, schrie ich. Nein, es sei wirklich ein aufklärerischer Text, hieß es.
    Immer, wenn mich jemand als Aufklärer bezeichnet, und sei es jemand von der »Bunten«, wird mir so angenehm licht zumute. Ich möge mich bitte entschließen, das Wort »Schwindel« zu ersetzen, dann laufe die Sache, da habe ich doch mehr davon als von einem Ausfall, der übrigens nicht die Hälfte betrage wie üblich, so knauserig sei man nicht, 800 Mark erhielte ich für den Ausfall, also nur 200 weniger, aber darum ginge es vermutlich nicht, es gehe vielmehr darum, daß diese so ungeheuer vernünftige und den Kinderton treffende Antwort gedruckt werden müsse, nur eben ohne das Wort »schwindeln«. Das werde ich doch ersetzen können! Ich sei doch schließlich Schriftsteller. Dann nehmen wir »heucheln«, sagte ich. Um Gottes willen, »heucheln« doch nicht! hieß es. Nehmt »lügen«, sagte ich.
    Also Spaß beiseite, hieß es, ob ich nicht das Wort »flunkern« nehmen könne, der Text verliere nichts dadurch. Alle die Kinder in Klein-Sandras Alter hätten dann wirklich eine schöne Antwort.
    »Schwindel« ist das äußerste an Zugeständnis, sagte ich. Was ich eigentlich gemeint hätte, sei ja »heucheln«, und das hätte ich mir selbstzensorisch untersagt. Mit »flunkern« verliere der Text jeglichen Sinn.
    Irgendwie ging das Telefongespräch nicht zu Ende. Ich war nicht Manns genug, in die Leitung zu rufen, daß mir die Redaktion der Illustrierten komplett mitsamt dem Verleger den Rücken hinunter rutschen sollte, irgendwann verlor ich die Fassung und schrie: Dann druckt eben euer »Flunkern« und habt mich gern.
    Ich wußte, daß wir uns einigen würden, hieß es. Anderntags wieder die nunmehr vertraute Stimme am Telefon. »Flunkern« gefalle dem verantwortlichen Redakteur noch immer nicht, ob mir nicht ein freundlicheres Wort einfalle.
    Ich sagte nur noch: Zurück mit dem Text und her mit dem Honorar. Das Geld kam pünktlich.

Die Absage
    Noch eine wahre Weihnachtsgeschichte
    Nur in Kriminalromanen wird mehr telefoniert als in einem Lohnschreiberleben. So beginnt auch diese Geschichte mit einem Telefonanruf. Adventszeit, 2004. Anfrage aus Berlin. Ob ich an einer Talkshow teilnehmen wolle? Ich wollte eigentlich nicht. Aber schaden kann es nichts, wenn man als Schriftsteller auf Auftragsarbeiten angewiesen ist und seine Bücher verkaufen will. Ein Fernsehauftritt ist zwar einerseits unverzeihlich exhibitionistisch, andererseits befördert er nun mal die nötige Bekanntheit. Die Redakteurin spürte mein Zögern, stufte es als ehrenwert ein und zerstreute meine Bedenken: Es handle sich nicht etwa um schmieriges Privatfernsehen, sondern um eine öffentlich rechtliche Anstalt. Rundfunk Berlin Brandenburg. Alles ganz seriös. Sie werde vom ehemaligen Berliner Wissenschaftssenator Christoph Stölzl und vom ehemaligen Kulturstaatsminister Michael Naumann abwechselnd moderiert.
    »Das ist ja schon nicht mehr seriös, das ist ja schon richtig vornehm«, sagte ich. »Genau«, sagte sie, daher heiße die Sendung

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