Aus dem Leben eines Lohnschreibers
gemachten Bücher (in Handarbeit eingeklebte Farbtafel!) hätte das Entsorgungskonzept unecht und zu einer Farce gemacht. Zudem witterte der Verleger, der, auch wenn ich längst die Lagerkosten übernommen hatte, noch immer der rechtmäßige Besitzer der Bücher war, Schadensersatz. Was für uns, die Entsorgungskonzeptfraktion, eine Katastrophe war, war für ihn ein spätes Geschenk des Himmels.
Nach einigem zänkischen Hin und Her, das sich nach Schäden und Ersatzansprüchen nicht vermeiden läßt, entschloß sich mein Mäzen, 1000 »Sinecure«-Exemplare als schlichtes Taschenbuch nachdrucken zu lassen, um das Entsorgungskonzept damit wenigstens ersatzweise durchführen zu können. In einem langen Nachwort für diese Ausgabe erzählte ich ausführlicher als an dieser Stelle die sonderbare Geschichte dieses Buchs, das mir kein Glück, aber doch einigen Spaß gebracht hat und dazu die Bestätigung, daß ich mich als Konzeptkünstler so wenig eigne wie als Autor versponnener Bücher
Eine Auflage nur zu drucken, um zu demonstrieren, wie hübsch 1000 Bücher in einem Regal aussehen und wie kompliziert es ist, sie wieder loszuwerden - das immerhin hatte eine besondere Note. Die Bücher wurden mit einem Stempel als »Entsorgungsdruck« gekennzeichnet. Sie sind nicht zu kaufen. Interessenten müssen nach Landsdorf reisen und können dort durch Entnahme des Buchs zu seiner Entsorgung beitragen.
Ab 2008 wird eine »Landsdorfer Sinecure« an Autoren verliehen. Der auserwählte Poet kann in den Sommermonaten im Schloß hausen und bekommt reichlich Taschengeld. Er kann in Ruhe arbeiten, im Park lustwandeln und den Baumfröschen zuhören. Er kann sich mein Buch schnappen, und auf der Terrasse über die Gefahren der Sorglosigkeit nachlesen. Vielleicht kommt tatsächlich ab und zu ein Leser vorbei, der sich einen »Sinecure-Entsorgungsdruck« abholen möchte. Vielleicht trinkt man ein Glas zusammen und fragt sich, ob das nun großer Quatsch oder kleine Kunst ist, was ich seinerzeit verzapft habe, altbackener Unsinn oder ein relativ flottes Stück.
Gerührt und erheitert vom glücklosen Schicksal meines »Sinecure«-Buchs stellte mir die »Süddeutsche Zeitung« im Frühjahr 2008 eine ganze Seite zu Verfügung, auf der ich die Geschichte meines Flops ausführlich erzählen und die Bevölkerung zur finalen Entsorgung aufrufen konnte. Gleichzeitig wurde in Landsdorf der erste Autor, der die frisch geschaffene »Sinecure Landsdorf« wahrnehmen würde, der Presse vorgestellt (Ralf Thenior) - wie auch das Entsorgungsregal mit den 1000 »Sinecure«-Entsorgungsdrucken, eine kunstvolle Wabenkonstruktion aus dünnen Industriesperrholzlatten, die rätselhafterweise dennoch in der Lage ist, vollkommen stabil sieben Zentner Bücher zu tragen. Neben meiner eigenen Geschichte in der »Süddeutschen Zeitung« berichteten nicht nur Rostocker und andere Zeitungen Mecklenburg-Vorpommerns, sondern auch die »Frankfurter Allgemeine Zeitung« und »Spiegel online« über die Sache. Über mangelnde Aufmerksamkeit kann also wahrlich nicht geklagt werden. Auffälliger kann man auf ein Buch nicht hinweisen. Selten dürfte ein Ladenhüter mehr Presse bekommen haben.
Interessanterweise waren die Interessenten, die sich daraufhin meldeten, mit den Fingern einer Hand abzuzählen. »Das Denkmal des ungelesenen Buchs«, wie Wolfgang Höbel in »Spiegel online« das Entsorgungsregal nannte, wird wohl ein Denkmal bleiben und die allmähliche Entnahme der Bücher nicht mehr als eine nette Idee. Die Zeit ist ja tatsächlich zu kostbar, um sich mit einem Buch zu befassen, das schon vor zwanzig Jahren niemand lesen wollte. Und wenn es noch so geistreich und gaga ist - für diese Mischung sind andere zuständig, das ist nicht das, was man von einem Autor lesen will, den man mit eher unversponnenen Texten in Verbindung bringt.
Dennoch ist die Seite in der »Süddeutschen Zeitung« mit meiner langen Aufforderung, nach Landsdorf zu reisen und durch Entnahme eines »Sinecure«-Exemplars zur Entsorgung der Auflage beizutragen, sicherlich ein paar tausend Mal herausgerissen und aufgehoben worden. Allerdings nicht aus Interesse an meinem Buch, sondern weil auf der anderen Seite ein Interview mit dem Fußballtorwart Oliver Kahn stand, der genügend Fans haben dürfte, die jeden Zeitungsbericht ihres Lieblings sorgfältig archivieren. Irgendwie paßt es zu meinem ungelesensten Buch, daß auch der Nachruf, den ich auf diese hübsche und behinderte Ausgeburt verfassen
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