Aus dem Leben eines Lohnschreibers
zu schreiben habe. Ein belangloser Gegenstand und eine langweilige Zeitschrift seien eine gute Voraussetzung für einen klugen Text, der gerade dann ja spannend sein und standhalten müsse. Im übrigen sei man automatisch auf der Höhe der Zeit, wenn man von Redaktionen aufgefordert werde, über Zeiterscheinungen zu schreiben. Schließlich verbiete einem keiner, ehrlich, präzise und kritisch zu sein. Wenn der Text nicht gedruckt werde, würde er doch bezahlt. Wenn er wirklich gelungen sei, würde er an anderer Stelle gedruckt werden können.
Ich gab Beispiele von Auftragsgeschichten, die ich in der letzten Zeit über das Weintrinken und das Masturbieren geschrieben hatte und die dann in meine Romane wanderten. Und wie das feine Feuilleton darauf reagierte - nämlich mäkelnd.
Es tue aber einem Text besser, der nach Belohnung durch Geld schiele, sagte ich, als wenn er auf Belohnung durch das feine Feuilleton aus sei. Der nach dem Lob des Feuilletons schielende Text nämlich käme oft auf Stelzen daher, während der Publikumstext klar und verständlich sei und innerhalb eines vernünftigen Zeitraums abgegeben werden müsse. Ein Text, der es auf literarische Ehren abgesehen habe, werde oft nicht fertig und laufe Gefahr, immer gekünstelter und unverständlicher zu werden. Siehe die gedrechselte Kunst der Nazarener, sagte ich, und dachte an die Bilder meines Franz Ludwig Catel, mit denen ich mich in der Nacht befaßt hatte. Hier bei der Tagung redeten alle immerfort von Pop. Was denn nun Pop sei, und was nicht. Das paßte mir jetzt beim Reden in den Kram: Ein Auftragstext sei Pop, weil er halbwegs populär sein müsse, sagte ich.
Natürlich gab es Proteste. Ein Kollege, der es sich leisten kann, komplizierte Bücher zu schreiben, weil er sein Geld woanders verdient, warf mir »Affirmation« vor. »Du läßt dich vom Markt erziehen!« rief er. - »Nein«, rief ich zurück, »ich zahle es dem Markt heim!«
Ich erklärte und erzählte, daß sich längst nicht jeder Auftragstext so, wie er geschrieben sei, durchsetzen lasse, wie aber die sich windenden Bitten der Redaktionen um Veränderungen den Job als Auftragsautor erst richtig spannend machten und später den eigenen Büchern zugute kämen, weil damit ein klares Licht auf den seltsamen Widerspruch von Anpassungsunlust und Resignation geworfen werde, der unsere Mediengesellschaft auszeichne.
Ich berichtete von Texten für Feinschmeckermagazine, die häufig bei mir bestellt worden waren, in denen ich selbstverständlich die Feinschmeckerei verhöhnt hätte, was die längst feinschmeckermüde gewordenen Redakteure entzückt habe - und wie dann plötzlich die Bitte nach einem Entschärfen des Textes komme.
Die jüngste Geschichte dieser Art war exemplarisch, und ich gab sie zum besten: Ich hatte für die erste Nummer einer speziellen Feinschmeckerpostille für Weintrinker eine Doppelseite füllen sollen - über das Weintrinken natürlich. Die Redaktion habe zu spät gemerkt, daß das Heft in Gefälligkeit ersaufe, man brauchte dringend einen etwas herberen, amüsanten Text. Für 3000 Mark versprach ich, diesen Text in drei Tagen zu liefern. Und ich lieferte. Und war gespannt. Ich hatte in diesem Text den Wein gelobt, den ich seit Jahren in Italien für 1800 Lire pro Liter beim Weinbauern in großen Mengen kaufte, für eine Mark achtzig also, ungeschwefelt und also sehr bekömmlich, ein weißer Saft, der glücklich und geistvoll - und niemals Kopfweh macht. Neben den vielen Vorteilen dieses göttlichen Getränks, hatte ich geschrieben, komme als Krönung hinzu, daß dieser Wein deutlich weniger als Benzin koste, daß man sich also beim Trinken an der Vorstellung ergötzen könne, im Verbrauch quasi billiger zu sein als sein eigenes Auto. Man solle, so war der Text weitergegangen, eigentlich immer nur Weine trinken, die einen geringeren Literpreis als Benzin hätten.
»Wir haben uns totgelacht!« war die Reaktion der Redaktion gewesen. Am nächsten Tag dann der Anruf, den ich vorausgeahnt hatte: Wenn es nicht die erste Nummer des Heftes wäre … Wenn mein Beitrag nicht so auffällig als Doppelseite mitten im Heft plaziert vorgesehen sei, sondern als unauffällige Glosse … Wenn der Verleger etwas mehr Humor hätte und nicht zu denen gehören würde, die keinen Wein trinken, der unter 500 Mark die Flasche kostet … Wenn die angepeilte Leserschaft etwas mehr Sinn für Selbstironie hätte - aber Sie können sich ja vorstellen, was das für Leute sind, die sich eine
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