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Aus dem Leben eines Lohnschreibers

Titel: Aus dem Leben eines Lohnschreibers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph von Westphalen
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der hatte Sinn für Verkleidungen dieser Art. Hildesheimers abgedruckter Brief aber war zwischen all den Erfindungen als echt nicht erkennbar.
    Ein Prachtexemplar von 240 Seiten war entstanden, ironisch, verspielt, edel, 50 Mark teuer. Ich trat als Herausgeber dieses zwölften Bandes der auf 26 Bände angelegten Gesamtausgabe der Werke Elphinstones auf, eines weltläufigen Autors, der zu Münchens Damenwelt eine auffällige Affinität hatte. Aus einem Jux war ein Spaß nicht ohne Bedeutung geworden. Die Kritik, so hoffte ich, würde schon erkennen, was hinter dem Versteckspiel und in all den Fußnoten zu finden war: ein selbstironisches Aufdenarmnehmen der Linken. Über deren Liebe zur Toskana machte ich mich ebenso lustig wie über die Verschwörungstheorien zum »deutschen Herbst« 1977. Nicht zuletzt bot mein Buch eine hübsche Grundlage, um die knifflige Frage zu diskutieren, was für die Kunst besser sei, Existenzkampf oder Subvention? Da ich selbst nicht die übliche Förderung erfahren hatte und das Sein nach wie vor das Bewußtsein bestimmt, hatte ich mich als Herausgeber mit spürbarer Sympathie den Subventionsbedenken meines Autors angeschlossen.
    Das ungewöhnliche Buch würde kein Bestseller werden, dazu war es zu speziell, aber es würde einen Entzückensschrei des Feuilletons auslösen. Der Verleger würde einen Preis für das schönste Buch des Jahres bekommen. Weitere Auflagen würden nötig werden, natürlich »verbessert, vermehrt und auf den neuesten Stand gebracht«, wie es in solchen Fällen heißt. Ich freute mich schon auf die Ergänzungen und Nachträge. Wir dachten an eine preisgünstige Studienausgabe. Vielleicht würde ich mir weitere Elphinstone-Gedichte ausdenken und in weiteren Bänden lang und breit kommentieren. Mein englischer Dichter gab einiges her.
     
    »Sinecure« erschien im Mai 1989. Die Rezensionen waren dürftig und nicht der Rede wert. Der Verleger bemühte sich, ein paar Exemplare wenigstens an die im Buch vorkommenden Personen loszuwerden, doch die hatten kein Interesse an der Darstellung ihrer selbst. 2000 Stück hatte er gedruckt, keine 600 wurden mit Ach und Krach verkauft, ein halbes Dutzend an amerikanische Universitäten. 20- bis 30-tausend Mark hatte der Verleger in den Sand gesetzt. Und ich hatte drei Monate lang umsonst gearbeitet. Ich war nicht so wirklichkeitsfremd gewesen, an einen finanziellen Erfolg zu glauben. Amüsement und Anerkennung aber sind auch etwas wert. Und damit hatte ich fest gerechnet. Statt dessen Schweigen und Ablehnung.
    Man kann dem Feuilleton nicht ewig gram sein, wenn es ein Buch ignoriert, und seine Autoren, zu denen man ab und zu selbst gehört, sämtlich für blinde Hühner und denkfaule Schlampen hält. Man ist nun mal kein Handke, auf dessen abgelegenste Hervorbringungen sich alle stürzen. Ein Buch kann zum falschen Zeitpunkt kommen. Es kann zu teuer sein. Es kann nicht zum Image des Autors passen. Letzteres war mit Sicherheit ein Grund. »Sinecure« sah aus wie später die Bücher von W. G. Sebald. Das paßte offenbar nicht zu mir. Von meinen Büchern erwartete man Politikerbeschimpfungen und die Schilderung unbestrafter Seitensprünge und keinen schrägen englischen Dichter, der mit zwiespältigen Gefühlen in Schloßparks über Kieswege schlendert. Mein Ausflug in das Gebiet der unpopulären Literatur war nicht belohnt worden. Noch einmal würde ich mir nicht leisten können, ein Buch zu schreiben, ohne an seine möglichen Leser zu denken.
    Auf Dauer hat man nicht die Kraft, seine Hervorbringungen allein gegen alle geistreich und bedeutend zu finden. Irgendwann tritt ein ebenso grausamer wie gnädiger Schutzmechanismus in Kraft, und man fängt an, sein eigenes Buch für einen Bastard zu halten, um nicht mehr am Urteil der dummen Welt leiden zu müssen.
    Verlage lassen die unverkaufte Auflage eines Buches, das nicht mehr geordert wird, alsbald stillschweigend zerschreddern. Das ist üblich und unumgänglich. »Makulieren« nennt man es in der Branche. Klingt nicht ganz so brutal. Das brachte der Verleger nicht fertig. In »Sinecure« steckten zu viel Lust und Liebe, Witz und Eigensinn. Das Buch war so edel gemacht. Nach ein paar Jahren aber wollte der Verleger für diese unbeweglich im Koma ruhende Auflage kein Geld mehr ausgeben. Seitdem bezahlte ich die Lagerkosten, um die 100 Euro im Jahr, für 1286 Exemplare, die keiner haben will.
    Als ich 50 wurde, hatte ich die Idee, einen größeren Kahn zu mieten und die Bücher in

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