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Aus dem Leben eines Lohnschreibers

Titel: Aus dem Leben eines Lohnschreibers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph von Westphalen
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verließen meine Lesungen. Man lud mich nach Klagenfurt zum Wettlesen ein. Ich erfand eine Romanfigur, Harry von Duckwitz, verpaßte dem Mann meine Sicht der Dinge, las vor und gewann - allerdings nur den Beifall des Publikums. Die Jury fiel über mich her. Weil bei der Lesung Heiterkeit aufkam, wurde mir vorgeworfen, beim Schreiben an den Leser zu denken. Eine poetische Sünde, damals. Was Besseres aber konnte mir nicht geschehen. Klagenfurt-Siegertexte galten als prätentiös und ungenießbar. Von Sigrid Löffler und Hellmuth Karasek öffentlich zerpflückt zu werden hob den Marktwert. Je aufgeplusterter sie an einem herumnörgelten, desto lieber druckten einen die Verlage, die damals noch nicht bei jedem Buch bangen mußten, ob es auch Gnade vor den Augen der Fernsehleserin Elke Heidenreich finden werde - eine Zitterpartie, die mit dem unsanften Ende der Bücherverkaufssendung im Herbst 2008 historisch geworden ist.
    So ging ich von dannen ohne Preis, aber mit Vorschußangeboten, die mehr wert waren. So viel war nun klar: an den Näpfen der Kulturförderung würde ich weggebissen, und mit der Unterstützung des feinsinnigen Feuilletons würde ich nicht rechnen können. Wer für Geld schreibt, bekommt keine Literaturpreise. Wer keine Literaturpreise bekommt, muß für Geld schreiben. Damals galt es als ungehörig, wenn man ab und zu für den »Playboy« oder die »Vogue« schrieb und diese Art des Broterwerbs würdiger und erwachsener, unterhaltsamer und literarischer fand als das Schielen nach Preisen und Stipendien. Heute gilt es nicht mehr als anrüchig, aber die feine Art ist es noch immer nicht, und es sieht so aus, als müsse man erst einmal eine Weile tot sein, um als Autor Absolution für seine sündige Lohnschreiberei zu erfahren, wie dies bei dem Kollegen Jörg Fauser zu beobachten ist.
    In diesen Tagen des Höhenflugs und der klingenden Angebote erschien Klaus Renner auf dem Plan, der in München einen kleinen Verlag betrieb und schöne Bücher fabrizierte, von H. C. Artmann und Walter Serner zum Beispiel. Ob ich ein Buch bei ihm machen wolle? Dem Reiz der Unvernunft konnte ich nicht widerstehen. Warum nicht den lukrativen Roman verschieben und statt dessen poetisch herumspinnen?
    Zehn Jahre zuvor hatte ich mir eine Doktorarbeit abgequält. Der Professor (Werner Vordtriede) war ein Gentleman und Romantiker und zurückgekehrter Emigrant. Er mochte das Wort »Ideologiekritik« nicht, das ich als linker Literaturstudent auf jeder dritten Seite gebrauchte. Wir verständigten uns, indem wir uns unter anderem Namen englisch geschriebene Gedichte zuschickten. Ich nannte mich David Elphinstone. Eines meiner Gedichte hieß »Sinecure«. Darin liebäugelt der Dichter mit einem feudalen Leben ohne wirtschaftliche Sorgen (sine cure), behauptet dann aber standhaft, daß ein solches Dasein für ihn nicht in Frage käme. Dieses linkslastig polternde Gedicht kommentierte ich auf drei Dutzend Seiten und nahm darin die Germanistik auf den Arm. Wenn der Professor schon unter meiner Doktorarbeit litt, sollte er wenigstens daran Spaß haben.
    Den akademischen Insiderscherz aus Studentenzeiten baute ich nun mit Feuereifer aus. Aus David Elphinstone wurde im Winter 1988/89 ein wichtiger zeitgenössischer Poet, zu Unrecht unbekannt, obwohl doch Größen wie Enzensberger und Rühmkorf sich an Übersetzungen versucht hatten. Fritz J. Raddatz und Joachim Kaiser hatten sich ebenso mit ihm auseinandergesetzt wie Herbert Riehl-Heyse. Karasek und Löffler hatten ihn natürlich mißverstanden. Willi Winkler und Klaus Wagenbach wußten ihn zu schätzen. Ich hatte die abgelegensten Quellen aufgetan, zitierte aus dem Briefwechsel mit Klaus Theweleit und Hermann Gremliza. Joan Baez wollte »Sinecure« vertonen, und der Autor fragte sich, ob dieses schöne Wort, englisch von der glasklaren Proteststimme gesungen, ergreifend oder penetrant klingen würde.
    Weil alles möglichst authentisch aussehen sollte, wurde das Buch üppig illustriert. Faksimiles belegen die Korrespondenz, eine ausklappbare Farbtafel zeigt eine von William Turner gemalte Villa, die in dem Gedicht eine Rolle spielt. Auf dem Umschlag sind ein paar alte braune Schuhe des Dichters zu sehen, die George Harrison zu dem Beatles-Song »Old Brown Shoe« anregten. Elphinstone legte sich mit Herbert Achternbusch an und küßte Ilse Aichinger galant die Hand. Alles erfunden natürlich, fast alles. Mit Wolfgang Hildesheimer hatte ich tatsächlich über Elphinstone korrespondiert,

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