Aus dem Leben eines Lohnschreibers
würde, das hatte ich versprochen, das war auch in meinem Interesse.
Zudem mußte ich noch dringend für einen Katalog einen kunsthistorischen Text über den klassizistischen Maler Franz Ludwig Catel abschließen, der ab 1811 in Rom lebte und mit den Nazarenern befreundet war, die aber hinter seinem Rücken schlecht über seine Kunst redeten. Weil sich Catels Bilder besser verkauften, warfen sie ihm heimlich vor, er bediene den Markt. Da war es wieder, das Thema meines morgigen Vortrags. Wie oft, wenn man sich mit einer Sache befaßt, kommen aus ganz anderen Ecken überraschende Anregungen und Bestätigungen. Der Witz war, daß diese von den mißgünstigen Freunden als »allzu leicht verständlichen« Bilder Catels heute ungleich schöner und moderner wirken als das provinzielle Gefrömmel und die unechten Landschaften auf den Gemälden der Nazarener. Catel malte für Geld, und er malte besser als die anderen. Ich würde morgen auch über den Fall Catel sprechen können.
Samstag morgen. Vor mir war eine junge, fremdelnde Autorin dran. Kaum einer verstand ihren Vortrag so recht, man bezeichnete ihn respektvoll als »hermetisch« und rätselte in der Kaffeepause. Ich fühlte mich unter meinen Kollegen fremd und auch wieder nicht fremd. Wir alle schreiben. Wir sitzen alle in einem Boot und schreiben wie verrückt - für Geld oder Ehre oder eine bessere Welt. Manchmal trennen uns Welten, manchmal ist kaum ein Unterschied zu spüren.
Um elf war ich an der Reihe. Wenn man nach einer schwer verständlichen Rede an der Reihe ist, hat man es leicht. Erst eine Klarstellung: Da alle deutschsprachigen Autoren im Gegensatz zu den glorreichen amerikanischen als unfähige Schlappschwanzliteraten bezeichnet worden seien, ich aber partout nicht das Gefühl habe, Schlappschwanzliteratur zu schreiben, bleibe mir nur die Vermutung, das, was ich hervorbringe, sei gar keine Literatur. Zwar gut lesbar, aber keine Literatur.
Das kam gut an. Etwas zu gut. Womöglich nahm man meine Selbstausgrenzung für bare Münze. Schließlich gab es schon hochgestochene Rezensenten, die solchen Unsinn tatsächlich über meine Bücher geschrieben hatten. Und hier saß eine Menge feines Feuilletonvolk im Auditorium herum. Ich fügte also vorsichtshalber an: Nur für die Dauer der Tagung gelte meine Vermutung. Nach Beendigung der Tagung würde ich wieder darauf bestehen, echte Literatur zu erzeugen - und zwar kraftvolle.
Kam auch gut an. Dann machte ich mich darüber lustig, daß ich mit über Fünfzig der älteste der hier versammelten jungen Literaten sei. Trotzdem, sagte ich, fühlte ich mich den Jungen eher zugehörig als meinen Alterskollegen, was wohl daran liege, daß ich mit Vierzig mein erstes Buch veröffentlicht habe, mein »Werk« sei also im Gegensatz zu mir noch ziemlich jung - nämlich erst gute zehn Jahre alt. Wurde akzeptiert.
An einem Punkt aber würde ich doch merken, daß ich nicht mehr frisch und stürmisch sei, sagte ich: Ich hätte keine Lust mehr auf Pauschalurteile. Ich fände es naiv, dauernd auf den großen mitreißenden deutschsprachigen Roman zu warten und dann dauernd enttäuscht zu sein. Die Erwartungshaltung schaffe Frustration und mache blind für das Unerwartete. Die unerwartet an der Tischkante liegende, ausgequetschte Tube Uhu sei unter Umständen alles andere als welk, sondern habe vielleicht genug Kraft, einen ebenso zu bewegen wie ein guter Roman. Das könnte man von Joseph Beuys lernen. Das Hochloben, Abkanzeln und Kategorisieren von Büchern fände ich ziemlich unoriginell.
Dann kam ich zur Sache und versuchte, das erlauchte Fachpublikum zu überzeugen, daß man sich durchaus nicht verkaufe, wenn man gute Texte für gutes Geld schreibe. Im Gegenteil. Ich erzählte im Verlauf meiner Redezeit dann eigentlich nur noch Geschichten und interpretierte sie ein bißchen. Ich erzählte, wie ich einer Zeitung einen Text über einen absurden Luxusartikel zugesagt habe. Es sei um ein Ding gegangen, das sich »Spaghettitester al Dente« genannt habe. Über diesen Gegenstand würde ich möglicherweise lieber schriftlich nachdenken als über den Roman eines Kollegen, zum einen, weil ich für eine Romanrezension vielleicht magere 300, für den Artikel über den Spaghettitester aber fette 700 Mark Honorar bekommen würde, aber auch, weil ich als Romanschreiber bei der Kollegenrezension befangen sei. Und schließlich, weil ein Text um so vernünftiger und witziger sein müsse, je läppischer der Gegenstand sei, über den man
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