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Aus dem Nichts ein neues Leben

Aus dem Nichts ein neues Leben

Titel: Aus dem Nichts ein neues Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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»Nun heul nicht los, Schwesterchen … in de Hände spucken, ist wichtiger. Dafür brauchste alle Feuchtigkeit, nicht zum Wegweinen … Was glaubste, was Opa jetzt sagen würde, wenn er noch bei uns wäre.«
    »Du Idiot, würde er sagen!« Erna Kurowski lächelte unter Tränen.
    »Und dann würde er brüllen: Ran an de Bäume, Maanchen! In drei Wochen kloppen wir de ersten Nägel in de Sohlen!«
    »Von mir aus!« Franz Busko setzte sich auf einen der großen schweren Koffer, die sie vom Bahnhof bis vor ihr neues Haus geschleppt hatten. Der frühere Besitzer war noch nicht erschienen, obwohl er zum Empfang der Familie Kurowski zugegen sein wollte, hatte er geschrieben. Er schien zu ahnen, daß in diesen ersten Minuten in der neuen Heimat Julius Paskuleit die letzte Rate des Kaufvertrages mit der Faust bezahlt hätte. Erst eingewöhnen lassen, dachte er. Sie kommen aus dem Lager und aus einer Baracke … sie müssen sich erst an die städtischen Verhältnisse gewöhnen. Wenn sie die Kerle sind, als die sich Paskuleit ausgegeben hat, werden sie in ein paar Jahren hier eine Goldgrube haben.
    In ein paar Jahren … mein Gott, um sie durchzustehen, mußte man ein Kreuz aus Beton haben!
    »Dann wollen wir –«, sagte Paskuleit rauh und rieb die Hände. »Wir sind da, das Haus gehört uns, ich habe den Kaufvertrag in der Tasche –« er legte die rechte Hand auf seinen Rock, wo in der Innentasche das Dokument knisterte: Julius Paskuleit kauft das Haus Nordstraße 34 in Leverkusen mit allen Einrichtungen und Gegenständen, wie beschrieben – »die Sonne scheint, der Sommer ist die beste Zeit, um die Ärmel hochzukrempeln … also los!«
    »Und wo wollen wir schlafen?« fragte Erna.
    »Jedes Haus hat einen Keller, Schwester.«
    »Wenn er nicht von Bomben eingedrückt ist …«
    »Das sehen wir ja! Wir fangen wie normale Menschen an … von unten nach oben! Franz!«
    »Meester?«
    »In den Keller!«
    Es zeigte sich, daß nicht alles so trostlos war, wie es von außen zunächst ausgesehen hatte. Der Keller war unversehrt, hier hatte der Hausbesitzer bis vorgestern noch gewohnt, es gab hier Wasser und einen Kanalanschluß, elektrisches Licht und einen Lokus, verputzte Wände und sogar einen Kellerraum mit einer geblümten Tapete … das Wohnzimmer.
    »Na also!« sagte Paskuleit, nachdem er Erna und die Kinder in den Keller geführt hatte, als beträten sie einen Palast. »Wasser und Licht … damit hat man die Kultur aufgebaut. Mehr braucht ein Paskuleit auch nicht. In ein paar Wochen … bis zum Winter bestimmt – sind wir wieder aus der Erde heraus. Hast du Angst, Erna?«
    Erna Kurowski saß in dem ›Wohnzimmer‹ auf den Koffern, die Kinder um sich wie eine Glucke ihre Küken. Sie hätte heulen können, ganz laut heulen, wenn sie an die schöne Laube in Lübeck dachte, an den blühenden Garten drum herum, an die neuen Freunde, das nahe Meer und das Gefühl der Sicherheit. Alles war nun aufgegeben, verkauft gegen einen Ruinenhaufen, eingetauscht gegen einen weiträumigen, aber muffigen Keller, in den – wenn der Wind herüberkam von den wieder produzierenden Farbwerken Bayer – eine unsichtbare Wolke von Arzneigestank hineinkroch.
    »Ich habe keine Angst, Julius«, sagte sie tapfer und lächelte wieder, obwohl ihr die dicken Tränen aus den Augen tropften. »Es … es ist nur alles so fremd …«
    »Wir müssen in das Fremde hineinwachsen, Erna.« Paskuleit zog seinen Rock aus und krempelte die Hemdsärmel hoch. Er hatte dicke Armmuskeln und einen breiten Brustkorb … ein ostpreußischer Baum, den kein Sturm umweht. »Nach Adamsverdruß kommen wir nie wieder.«
    »Ist das sicher?«
    »Für mich ja! Der Krieg ist verloren … der Verlierer muß bezahlen. Das ist natürlich. Wir bezahlen mit Ostpreußen und Schlesien, und wenn man noch so laut schreit von Heimatrecht und Rückkehr. Verdammt, es wird lange dauern, bis man das begreift … aber ich glaube, schon Ludwig, Peter und Inge werden Ostpreußen nur noch als Fleck auf der Landkarte betrachten. Politik ist ein Generationsprozeß … sollen wir uns davon überrollen lassen? Nee, nicht ein Paskuleit. Wir fangen an, die neue Welt zu erobern!«
    »Sie sollten in de Politik geh'n, Meester –« sagte Franz Busko beeindruckt. »Reden können Se …«
    »Ich bin Schuster!« Paskuleit klatschte in die Hände. »Das ist mehr als Politiker, Franz. Was ist'n Politiker ohne Schuhe? Wie sieht das aus, wenn er Aufstieg verspricht und steht barfuß da … Los, rauf auf die

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