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Aus dem Nichts ein neues Leben

Aus dem Nichts ein neues Leben

Titel: Aus dem Nichts ein neues Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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fahr ich nach Pirmasens.«
    »Was willst du denn da?« fragte Erna entgeistert.
    »In Pirmasens lebt Heinrich Ellerkrug.«
    »Wer ist denn das?«
    »Heinrich hatte in Königsberg eine kleine Schuhfabrik. Sein Schwager Fritz Kämper ist Besitzer der ›Kämper-Schuhwerke‹ in Pirmasens. Und im ›Zentralblatt für Lederwaren‹ hab ich gelesen, daß Heinrich Ellerkrug jetzt Prokurist bei Kämper geworden ist. Ahnste was, Erna?«
    »Ja, Julius. Und du glaubst –«
    »Mädchen, ich weiß! Eine Laus ist harmlos gegen Julius Paskuleit. Ich bohre mich in die ›Kämper-Werke‹ hinein …«
    Am 10. November fuhr Paskuleit, von der ganzen Familie zum Bahnhof begleitet, nach Pirmasens. Den Laden übernahm Franz Busko so lange … zu verkaufen gab es nur die zugeteilten Sandaletten mit dicker Holzsohle … aber man hatte ja aus Opas geklauten Autoreifen zweitausend Schuhsohlen auf Lager, ein Kapital, das jetzt ungeheure Zinsen trug. In drei Tagen hatte Busko neunundsiebzig Reparaturen angenommen … er arbeitete von früh um fünf bis nachts um eins und schlief nur vier Stunden. Neben ihm auf dem Sessel hockte Erna und glättete mit Schleifpapier die Sohlenränder.
    Paskuleit blieb zehn Tage in Pirmasens, und Erna Kurowski hatte große Angst, ihm könne etwas geschehen sein. In den Zeitungen las man von Überfällen und Morden, manchmal nur wegen eines Pfundes Speck. Es bildeten sich regelrechte Räuberbanden. Der Krieg war vorbei … die Zeiten wurden wieder normal …
    Am elften Tag nach seiner Reise nach Pirmasens stand Paskuleit plötzlich wie ein Käufer im Laden. Er grinste breit, als Erna aus dem Hinterzimmer kam und ohne hinzublicken gewohnheitsmäßig sagte: »Bitte … was darf's sein?« Dann blieb sie stehen und starrte ihren Bruder an.
    »Zweimal Erbsensuppe mit Speck!« rief Paskuleit fröhlich. »Erna, ich hab'n gleich mitgebracht. Er will sehen, ob wir eine gute Firma sind!«
    »Wer, mein Gott?«
    »Heinrich Ellerkrug!«
    In der Ladentür stand ein großer, schlanker Mann mit grauen Schläfen und schwarzen Locken, elegant, fast vornehm – Opa Jochen würde gesagt haben, ein richtiges Herrchen –, er hatte helle Lederhandschuhe in der rechten Hand und winkte damit Erna zu. Seine ganze Erscheinung strahlte Zufriedenheit und Erfolg aus, Sattsein und Sorgenfreiheit … in dieser Zeit alles kleine Wunder.
    Erna Kurowski wußte es nicht zu erklären, – aber als sie Heinrich Ellerkrug da in der Ladentür stehen sah, wurde sie unsicher, spürte ihr Herz schneller klopfen und kämpfte dagegen an, rot zu werden. »Das … das ist schön …«, sagte sie stockend. »Wir haben schon gedacht, Julius ist verschollen … wie mein Mann!« Sie setzte das hinzu, um sich innerlich Halt zu geben, um einen Wall aufzubauen zwischen dem eleganten Ellerkrug und sich. Sie kämpfte dagegen an, aber es nutzte wenig … der Blick aus seinen strahlenden Augen traf sie voll wie ein Schuß, sie spürte ihn in sich eindringen, sagte zu sich, als schlage sie um sich: Ewald! Ewald! Ewald! – und wurde entgegen aller Willenskraft doch rot.
    »Wenn Heinrich den Eindruck gewinnt, daß die ›Westschuh‹ ein solider Laden ist und Kämper-Schuhe für ihn nicht zu hochgestochen sind, dann will Heinrich uns beliefern! Erna, weißt du, was das bedeutet? Wir haben das modernste Schuhgeschäft in Leverkusen!« Er wandte sich zu Ellerkrug um und machte eine alles umfassende Handbewegung. »Na, wie ist's, Heinrich? Noch im Aufbau, aber du kennst den Paskuleit! Beste Lage in der Stadt! Und dann eine solche Chefin …«
    »Das allein überzeugt.« Ellerkrug kam näher, ergriff Ernas Hand und küßte sie. Es war Ernas erster Handkuß … sie stand steif da, wie versteinert, und merkte nicht, daß Ellerkrug ihre Hand weiter festhielt. »Aus Ihrem Geschäft, Frau Kurowski, machen wir zusammen ein Schmuckkästchen. Und wenn diese Bezugsscheinsache mal aufhört – einmal ist das zu Ende, garantiert – dann sollen Sie mal sehen, wie der Schornstein dampft!«
    »Heinrich fährt einen Mercedes –« sagte Paskuleit, als Erna noch immer nicht antwortete. »Er hat von der französischen Militärregierung jede Menge Benzin dazu. Und einen Betrieb haben die in Pirmasens … Zucker, sage ich. So, und nun koch eine Erbsensuppe! Du ißt doch noch wie früher Erbsensuppe gern, was Heinrich?«
    »Immer noch.« Ellerkrug sah Erna tief in die unruhigen, blauen Augen. Wie schön sie ist, dachte er. Ihr Haar leuchtet wie reifer Weizen. Einunddreißig ist sie, sagt

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