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Aus dem Nichts ein neues Leben

Aus dem Nichts ein neues Leben

Titel: Aus dem Nichts ein neues Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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mitgebracht haben! Wo ist das Kind?!«
    Ellerkrug kam nun auch aus dem Wagen. Er hatte die Aktentasche mit den 100.000 Reichsmark unter die linke Achsel geklemmt. Die rechte Hand stak in der Manteltasche, und plötzlich wußte Paskuleit, daß Ellerkrug dort schußbereit eine Pistole umklammerte.
    »Du bist ein Schlitzohr –«, sagte er leise, als Ellerkrug nahe bei ihm stand. »Die ganze Zeit haste den Knaller bei dir …«
    »100.000 Mark sind 'ne Menge Geld.« Ellerkrug lächelte schwach. »Ich habe mit zwei gerechnet … du einer, ich einer … aber jetzt ist wirklich gar keiner da!«
    »Das Geld ist hier!« brüllte Paskuleit wieder in die Stille hinein. »Wenn Sie mich nicht erkennen können … ich bin Julius Paskuleit. Ich lege jetzt die Mappe hier in den Schnee und gehe wieder zum Wagen. Sie können sie holen … aber wehe, wenn das Kind nicht auf dem gleichen Fleck steht, wenn ich wiederkomme …«
    Ellerkrug packte Paskuleit am Ärmel des Mantels. »Halt's Maul!« zischte er. »Da war was! Irgendein Laut …«
    »Mein Herz trommelt …«
    »Blödsinn! Da … da wieder …« Sie hielten den Atem an. Und plötzlich hörten es beide … durch den Schnee, der jetzt dicht wie ein Vorhang war, durch diese wattige Dunkelheit drang eine klägliche Stimme:
    »Onkel Julius … Onkel Julius …«
    »Inge!« brüllte Paskuleit. Er warf die Arme hoch, und Ellerkrug zog den Kopf zwischen die Schultern … er hatte noch nie einen Menschen so brüllen gehört. »Inge! Wo bist du?! Ruf weiter … ruf immer weiter … ich komme … ich komme …«
    Paskuleit fuhr herum, über sein vom Schnee bedecktes, rot gefrorenes Gesicht liefen die Tränen. »Heinrich, gib mir die Pistole … schnell …«
    »Ich gehe natürlich mit!« schrie Ellerkrug. »Für was hältst du mich denn?!«
    Sie liefen der kleinen Stimme nach, die unentwegt »Onkel Julius! Onkel Julius!« rief. Sie brachen in den Wald ein, warfen sich gegen die tiefhängenden Zweige, verfingen sich in verfilzten Büschen, rissen sich an Dornen die Mäntel auf und erreichten endlich eine kleine Lichtung, nachdem Paskuleit noch einmal geschrien hatte: »Inge! Ruf weiter! Ruf weiter!«
    Inge war tatsächlich an einen Baum gebunden, aber wie groß der Schuft auch gewesen war, er hatte das Kind nicht einfach seinem Schicksal überlassen. Damit es nicht fror, hatte er Inge in eine dicke, alte Militärdecke gewickelt und dann erst an den Baum gebunden. Über den Kopf trug Inge ein mehrfach gefaltetes Handtuch, mit einer Kordel festgebunden wie ein Helm.
    »Wir haben sie!« schrie Paskuleit. »Wir haben sie!«
    Er stolperte durch den Schnee, fiel vor Inge auf die Knie und nahm das kleine, frostrote Gesicht vorsichtig zwischen seine breiten Hände. »Bist du verletzt?« stammelte er. »Tut dir etwas weh, Inge? Mein Gott, mein Gott …«
    »Losbinden wäre besser als dämlich quatschen!« sagte Ellerkrug und schnitt mit einem Taschenmesser die dünnen Stricke durch. »Inge ist da … alles andere können wir zu Hause nachsehen! Los, zurück zum Wagen …«
    Auf der Rückfahrt nach Leverkusen lag Inge in Paskuleits Schoß, kaute an einer Schokolade, die Ellerkrug auch mitgebracht hatte – der Kerl denkt wirklich an alles, stellte Paskuleit mit tiefer Zufriedenheit fest –, und berichtete von zwei Männern, die sie kurz vor dem Geschäft in einen alten Wagen gezogen hatten. »Dein Onkel schickt uns!« hatten sie gesagt. »Komm mit!« Und da Onkel Julius die wichtigste Person in der Familie war, hatte Inge keinen Augenblick gezögert mitzukommen.
    »Erkennst du sie wieder?« fragte Paskuleit knirschend.
    »Nein, Onkel. Sie trugen so dunkle Brillen, weißt du?«
    »Und später?«
    »Ich weiß es nicht mehr. Da war ein großes Zimmer, ziemlich vornehm, vornehmer als wir, Onkel. Und dann haben mich die beiden Männer in den Wald gebracht. Ich habe viel geweint, Onkel …«
    »Die Militärdecke«, sagte Paskuleit und hieb die Fäuste gegeneinander. »Damit kriegen wir sie, Heinrich.«
    »Das ist eine alte britische Militärdecke, und die ist mit Sicherheit auch noch geklaut. Mich haut etwas ganz anderes um … wir haben noch die 100.000 Mark!«
    »Himmel, ja!«
    »Es ging den Kerlen überhaupt nicht um das Geld.«
    »Ja, aber um was denn?«
    »Wenn wir das wüßten! Julius, ich wette jede Summe: Da kommt noch etwas hinterher! Da will dir jemand ans Leder, ohne selbst tief in die Scheiße zu rutschen! Guck dir deine Besucher in den nächsten Tagen gut an …«
    Inge schlief sofort ein,

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