Aus dem Überall
Ausschau. Es wurde rasch klar, worauf sie abzielte. In einer Schule, in der das nackte Überleben schon eine Leistung war, fühlte sie sich zu Unmöglichem berufen: zur Raumakademie.
Sie strebte dieses Ziel ganz einfach durch harte Arbeit an und wurde natürlich durch niemanden abgelenkt, der etwa eine engere Beziehung zu einer Schweineschnauze anstrebte. Was sie für nützlich hielt, lernte sie schnell und gründlich. Sie wühlte sich von Differentialen bis zur Vektorenrechnung durch die Mathematik, sie kämpfte mit Metallurgie, Elektronik und Computertechnik jeder Art und Unart. Die Astronomie war eine Offenbarung. Da sie realistisch war, vernachlässigte sie auch die niedrigeren Tätigkeiten nicht: Entrosten, Ernährung und besonders Kochen im Raum, Kinderpflege, Massage, die siebenundzwanzig wichtigsten Techniken zur sexuellen Erregung, die Reparatur aller gängigen Apparate, Wäschewaschen im Weltraum. Sie belegte Raummedizin im Nebenfach. Und immer interessierte sie sich für Maschinen, Maschinen, immer mehr Maschinen, und für alles, was sie über Orbitalflug und Schubmanöver finden konnte. Die dürftige Waisenrente sparte sie auf, bis sie auf dem Flugfeld der Enklave die ersten Flugstunden nehmen konnte.
Und sie schaffte ihn – den unglaublichen Quantensprung zum Eingangstraining für Raumfahrer. Ein Mathematiker, der noch nie eine Frau berührt hatte, brachte ihren Namen ins Spiel, ein staatlicher Prüfer, der seinen Durchschnitt heben wollte, war hilfreich. Außerdem waren Hilfskräfte für das wichtige Bergbauprojekt im Asteroidengürtel immer knapp. Aber im Grunde brachte sie ihr eigener, unstillbarer Hunger nach den Sternen nach oben.
Natürlich, viele Leute wollten in den Raum gehen; unter anderem hielt man das Leben eines Raumfahrers für traumhaft. Und die Leute himmelten die Sterne an, wann immer sie zu sehen waren. CPs Sehnsucht war nicht ungewöhnlich; nur die Intensität war es. Sie sprach kaum darüber – sie sprach grundsätzlich nicht viel –, denn sie hatte erfahren, daß ihre Gefährten glaubten, sie machte Witze: ›Schweineschnauze fliegt zu den Sternen‹. Aber einer von ihnen hatte auch gesagt: »Besser sie ist dort als hier.«
Bei der Grundausbildung wiederholte sich diese Geschichte; sie arbeitete verbissen wie zuvor. Und ihre nächsten kleinen Ersparnisse steckte sie in eine Operation – nicht für die Nase, wie es jedes normale Mädchen getan hätte, sondern für die erforderliche Sterilisation, die jede Anwärterin selbst bezahlen mußte. (Männliche Raumarbeiter konnten sich sterilisieren lassen, mußten aber nicht.)
Und auch diese Ausbildung schaffte sie relativ leicht. Mit neunzehn war sie geprüfte Raumarbeiterin. Sie war bereit für eine Anstellung im Weltraum. Und dabei half seltsamerweise ihr schreckliches Aussehen. Beim Bewerbungsgespräch hatte sie besonders nach den Forschungsfernflügen gefragt.
»Herr im Himmel«, sagte der junge Mitarbeiter des Einstellungsbüros später zu seinem Vorgesetzten. »Man stelle sich vor, ein Jahr mit so einem Gesicht eingesperrt zu sein! Ich würde sagen, wir stecken sie ganz hinten in die Abwasseraufbereitung.«
»Junge, du bist ein Trottel. Warum wurde der letzte Titan-Flug abgebrochen? Warum gab es bei den letzten sechs Troja-Missionen drei sogenannte Unfälle mit Todesfolge? Warum ›vergessen‹ die Computer bei so vielen Langstreckenflügen Teile des Logbuches? Wir haben die ganzen mineralogischen Analysen der vielversprechenden Klumpen jenseits des Gürtels verloren. Wenn du dich erinnerst, wir wissen immer noch nicht, woher wir Cäsium bekommen sollen. Warum, Junge?«
Der junge Personalsachbearbeiter kam sofort zu sich.
»Ah … Spannungen unter den Mitarbeitern, Sir. Streß, Auseinandersetzungen, das ist unvermeidlich, wenn Menschen so lange so eng beisammen hocken. Die Bauingenieure arbeiten an Kapseln mit privaten Räumen, und ich glaube, sie haben da einige …«
»Und in diese Kisten willst du nun eine nur halbwegs gut aussehende Frau stecken, Junge? Wir wissen, daß Männer besser arbeiten, wenn eine Frau in der Nähe ist; nicht nur aus physiologischen Gründen, sondern auch, weil sie gern jemand um sich haben, der unter ihnen steht und keine Konkurrenz ist und eine Art Mutterfigur sein kann. Was wir nicht brauchen, ist eine Frau, wegen der die Männer sich streiten. Wir haben auf den Stationen und den R & R-Depots eine Menge gutaussehender Frauen, und die Männer träumen von ihnen und arbeiten und wollen bald
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