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Aus dem Überall

Aus dem Überall

Titel: Aus dem Überall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Jr. Tiptree
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Frau ab und zu mal eine Tracht Prügel braucht, damit sie weiß, wer der Herr im Hause ist. Er sagte mit schwerer Stimme etwas in dieser Art zu Don, der in der benachbarten Koje lag; er erwartete keine Antwort und bekam auch keine.
    Don war jung, grübelte der Kapitän. Viel zu weich. Er sprach noch von seiner Mutter. Wenn es Don besser ging, würde er ihm einiges über den Umgang mit Frauen erzählen.
    Im Augenblick war ihm der köstliche Nachtisch, den CP serviert hatte, aber wichtiger. Mit einem Gefühl für die Ironie der Situation stellte sie ihm die Flasche mit seinem ›Schlaftrunk‹ in Reichweite auf den Tisch. Sie war jetzt ungeduldig, es gab so viel zu tun. Beim Warten mußte sie seine außergewöhnliche physische Vitalität bewundern. Eine Dosis, die jeden anderen auf der Stelle flachgelegt hätte, brauchte bei ihm einige Minuten, bis sie wirkte. Sie machte sich schon Sorgen, daß er Don nebenan hyperventilieren hörte, aber ließ sich nichts anmerken. Schließlich starrte Meich ins Leere, richtete den Blick auf sie und rief: »Wa…« und erhob sich halb, bevor er zusammensank.
    Sie hätte gewarnt sein sollen.
    Aber er war tief bewußtlos – sie schnippte mit den Fingern an seinen Ohren und streute Salz in sein Auge, um ganz sicherzugehen. Sie konnte sich an die Arbeit machen.
    Zuerst wollte sie nach Don sehen. Sie hatte noch genug von der Substanz, die sie ihm gegeben hatte, und sie wollte sehen, wie sie gewirkt hatte.
    Don war lang von seiner Liege gerutscht, und die letzten Krämpfe zuckten durch seine Beine. Sein Gesicht war nicht besonders verzerrt, nur schweißbedeckt, und aus dem Mund rann Blut. Er hatte sich die Zunge fast ganz durchgebissen. Sie hörte keinen Herzschlag mehr, nur noch die letzten Schauer eines sterbenden Körpers. Gegen ihren Willen wischte sie ihm das Gesicht ab und drückte ihm die Augen zu. Sie legte ihm einen Moment die Hand auf das weiche braune Haar. Schließlich war er anständig zu ihr gewesen.
    Dann machte sie sich an die Arbeit, und sie arbeitete schwer und schnell. Zwei Skalpelle wurden stumpf dabei – diese Anzüge und die Luftschläuche waren zäh –, und sie mußte auf Zangen und andere Werkzeuge zurückgreifen, ehe sie zufrieden war. Dann riß sie alles heraus, was nicht niet- und nagelfest war. Sie stellte einige Alarmkreise ab, um zu verhindern, daß vorzeitig die Hölle losging. Irgendwann erschrak sie, als Meich vom Stuhl rutschte und schwer unter den Tisch fiel.
    Auch einer der Luftkanister, die sie herausriß, rollte unter den Tisch. Das abgeschnittene Ende des Schlauches wackelte wie ein Hundeschwanz. Sie bemerkte es nur am Rande, denn sie war damit beschäftigt, schwere Vakuumsiegel zu lösen.
    Der Hauptluftdruckalarm in der Pilotenkanzel war sehr laut. Bob Meich erwachte.
    Er rollte sich zuckend herum und zog sich am Stuhl hoch, warf Stuhl und Tisch um und hob mühsam die Augenlider.
    Was er sah, hätte wahrscheinlich einen schwächeren Mann gelähmt. Es war, als wäre ein Tornado am Werk – Papiere, Kleider, Gegenstände aller Art und Größe flogen wild durcheinander und schossen durch die halb geöffnete Hauptschleuse.
    Die Schleuse öffnete sich weiter. Und dann sah er Cold Pig im Raumanzug den großen, runden Schleusenverschluß weiter aufdrehen und in aller Ruhe arretieren. Überall im Schiff heulten und schrillten Alarmsignale, während aus den Räumen die Luft entwich und der Druck sank. Es war ein Chaos. Dann ließen die Geräusche nach, denn es gab keine Luft mehr, die sie leiten konnte. Das letzte noch hörbare Geräusch war ein leichtes Quietschen aus Dons Scoutschiff. Dann war es still.
    CP hatte sich gefragt, ob Meich zuerst zu seinem Anzug stürzen würde, oder ob er zur Schleuse und zu ihr käme.
    Seine Reflexe hatten ihn, in der Luftleere schon keuchend, zum Anzug gebracht, der hinter ihm an der Wand hing; der Anzug stand aufrecht, als wollte er gleich losfliegen. Ein schwerer Stiefel war schon fortgerollt und durch die Schleuse verschwunden – es spielte keine Rolle, denn der Helm war noch da, und überall auf der Calgary waren Notanzüge verteilt; ein Grund dafür, daß CP so lange gebraucht hatte.
    Er war halb im Anzug und taumelte gegen die Wand, als er die Schnitte sah. Er grunzte – oder vielleicht brüllte er auch, die Luft war inzwischen zu dünn, um Geräusche zu leiten –, und fiel, den Helm umklammernd, auf die Knie. Aber er konnte ihn nicht aufsetzen – seine sterbenden Augen waren immer noch scharf genug, um die

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