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Aus dem Überall

Aus dem Überall

Titel: Aus dem Überall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Jr. Tiptree
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wollte noch einen Drink bestellen, aber dann schien er zu merken, was Hals’s Blaue mit ihm anrichteten. Er setzte das Glas ab und rückte mühsam seinen Stuhl zurecht. Als er weitersprach, kamen seine Worte tonlos und klar.
    »Als ich die nächste Runde drehte, sah ich, daß das ganze tödliche Meer mit diesem wunervollen, cremig-weißen Schaum überzogen war. Freudig wie – als hätte man Gelächter sichtbar gemacht. Und als ich darüber war, öffnete es sich. Es war wie ein Geschenkkarton.«
    Jetzt bestellte er sich noch einen Drink und starrte ins Leere.
    »Die meisten Männer haben’s wohl nicht, glaube ich. Das sind die Glücklichen. Aber einige haben’s – und einige Frauen vielleicht auch. Möge Gott ihnen helfen. Ich bin einer von denen, die es haben. Einen Traum, meine ich. Das Ideal. Ganz klar formuliert und lebendig. Die vollkommene, ideale Frau. Die Frau, nach der man ewig sucht, während man weiß, daß es hoffnungslos ist. Sie nehmen andere Frauen, weil sie sie an ihren Körper oder an ihre Seele zu erinnern scheinen. Eine Zeitlang. Körper und Seele … und da war sie.«
    Er strengte sich jetzt an, die Worte kamen hart heraus.
    »Sie lag auf diesem Schaumzeug, völlig nackt. Makellos. Perfekt und makellos. Und absolut lebendig. Ich konnte ihren süßen Bauch atmen sehen, ihre wundervollen Brüste waren etwas gerötet. Ihre langen dicken Wimpern – sie hatte die Augen geschlossen – zitterten auf den Wangen … sie war natürlich so groß wie ein Planet, und ich war eine Mücke im Himmel, aber so kam es mir nicht vor. Sie schien normal groß, oder besser, wir zwei waren gleich. Ich bremste so weit ab, wie ich es wagte, und nahm ihren Anblick auf. Sie regte sich ein wenig, ich konnte alles sehen, wirklich alles. Sie war völlig nackt, völlig unschuldig … die sexuelle Wirkung war unglaublich. Ich lachte nicht mehr … Sie – es – was immer sie geschaffen hatte, benutzte sogar die tödliche Algenrosette, um eine Art Blumenbukett in ihrer Armbeuge darzustellen, und ich konnte sehen, wie es ihre wundervolle Haut eindrückte …«
    Sein Gesicht verzog sich vor Schmerzen.
    »Ja … es – sie – sie wollte mich nicht verletzen, nein. Es hat nur in meinen Gedanken gelesen, was ich wollte, und hat es mir gegeben, aus reiner Freude und so gut es das konnte. Und ich glaube, den physischen Anteil hätte ich noch überstanden, diese wahnsinnige sexuelle Lust … glaube ich. Aber als ich über ihr war, öffnete sie die Augen und blickte direkt zu mir hoch. Und ich versank im tiefsten, wildesten Glück, das ein Mann sich nur vorstellen kann. All die Freude, die der Ozean ausstrahlen konnte, sah mich aus diesen riesigen Augen an. Sex? Mein Gott, es war eine Ekstase. Sie wußte es – sie wußte alles über mich und über sich selbst, und wir liebten uns. Wie soll ich sagen? Eine wundervolle, liebevolle Komplizenschaft, als wären wir schon unser ganzes Leben zusammen. Ich versuchte … ich versuchte, mir zu sagen, daß das einfach ein paar hundert Milliarden Proteinbrocken und Viren waren, die mich irgendwie spiegelten, aber ich konnte es nicht. Sie war ein lebendes Wesen, ein lebendes, liebendes Wesen. Und sie gehörte mir … und dann lächelte sie, ein wundervolles Lächeln mit einem verspielten Unterton. Vollkommene Gemeinsamkeit … mein Gott, ich war im Himmel. Wenn ich nicht vor Staunen so benommen gewesen wäre, hätte ich die Umkreisung abgebrochen und wäre zu ihr runtergeflogen. Sie hat nicht gerufen oder mich irgendwie gelockt; es war nicht dieser Unsinn wie bei den Sirenen. Sie war einfach glücklich, daß ich da war … und dann trug mich die Umlaufbahn wieder zur Küste. Sie hob den Kopf und schob ihr wehendes Haar zurück, um mir nachzusehen. Und dann, im letzten Augenblick, veränderte sich ihr Gesichtsausdruck. Es dauerte nur einen Moment – es war wie ein tödlicher Schnitt mit einer Rasierklinge: Im ersten Augenblick spürt man es gar nicht. Ein herzzerbrechender, trauriger Blick – Liebe und Verlust und Lebewohl. Wie ich schon sagte, es war im Nu vorbei, und dann war die Freude wieder da – und das liebliche Lächeln … aber ich … beinahe …«
    Er trank wieder, nahm noch einen tiefen Schluck.
    »Ich mußte natürlich weg. Wenn ich die Automatik nicht eingeschaltet hätte, wäre ich nicht weggekommen. Ich hätte es nicht gekonnt. Ich hätte die Automatik fast wieder rausgenommen. Um im Himmel zu bleiben … als ich das System verließ, spürte ich, wie die Freude starb; der

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