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Aus dem Überall

Aus dem Überall

Titel: Aus dem Überall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Jr. Tiptree
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Irgend etwas – da war irgend etwas, das man noch versuchen könnte, falls er die axiale Topographie rechtzeitig wahrnahm, und falls auf dem Planeten irgend etwas vorhanden war, das sich als Leben bezeichnen ließ. Ja – das war’s! Eine verzweifelte Notmaßnahme, seine letzte Hoffnung. Aber der erste der kleinen Planeten war bereits zu nah.
    Fast wahnsinnig vor Entsetzen richtete er seine Sensoren auf den entferntesten, und fand sie im allerletzten Augenblick: die magnetische Konfiguration, die es ihm ermöglichte, seinen Fall von der Sonne abzulenken. Und ja – ja! Als er von der Schwerkraft des nächsten Planeten erfaßt wurde, fand er den Polarwirbel, von dem man ihm erzählt hatte. Kälte – lebensrettende Kälte müßte es dort geben. Die Kälte, die ihm vielleicht für ein Weilchen half.
    Aber der Aufschlag würde schrecklich hart sein. Er würde sich furchtbar weh tun und lange Zeit brauchen, um sich davon zu erholen, falls er ihn überhaupt überlebte.
    Wieder forschte er in seinem Gedächtnis. Was mußte er tun? Wenn er sich recht erinnerte, mußte er sich physisch abkapseln und gleichzeitig die lebenswichtigen Teile seiner Psyche abwerfen, in der Hoffnung, daß sie eine lebende Herberge fanden, die er nicht vergaß, bis sein Körper geheilt war. Aber wo? Was?
    Er stürzte seiner Auslöschung entgegen, hatte keine Zeit mehr übrig. Verzweifelt warf er alles ab, was er zu fassen bekam – Willen, Gedanken, Liebe, technisches Wissen – alles, bis auf die bloße Identität. In seiner Panik vergaß er fast das wichtigste von allem – die Richtungsgebung, damit er sich eines Tages wieder einsammeln oder gefunden werden konnte. Da! Bereits in der Atmosphäre schwang er die Vektoren aus, sein bloßer Wille trat an die Stelle von Sachkenntnis.
    Und dann blieb ihm nichts anderes zu tun, als sich qualvoll abzukapseln, den schrecklichen Aufprall seines physischen Ichs zwischen den eisigen Molekülen zu ertragen, zu spüren, wie er aufschlug und sich festklammerte. Und dann verschwanden Raum und Zeit und Sterne, und er konnte nur noch auf sein gutes Glück vertrauen.
    Im selben Augenblick ereigneten sich in der menschlichen Welt drei Dinge.
    In einem Büro in San Juan in Kalifornien verspürte eine Frau mittleren Alters plötzlich einen Ruck durch den ganzen Körper: nicht besonders stark, aber immerhin stark genug, daß ihr ein Blatt eines Datenausdrucks aus der Hand fiel und sie sich am Tisch festhalten mußte. Ihr Blick war starr auf die Fenster, die nach Norden führten, gerichtet.
    Ein Migräneanfall, dachte sie zuerst; und dann, vielleicht das Herz? In Sekundenschnelle war alles wieder vorbei, und ihre Sekretärin hatte es nicht einmal bemerkt. Aber als sie zu ihrem Bürosessel ging, noch immer mit abwesendem Blick nach Norden starrend, beschloß sie, gewisse private Vorkehrungen, die Marrell Tech zugutekamen, zu beschleunigen.
    Zu genau derselben Zeit merkte ein Mann in der Entbindungsstation eines nahegelegenen Krankenhauses, der ein riesiges Bündel welkender gelber Rosen umklammert hielt, wie er auf die Autobahn starrte und seine Augen irgendwelche merkwürdigen eidetischen Blitze aussandten … – oder hatte ihn jemand beim Namen gerufen? Er riß sich zusammen und dachte: Wahrscheinlich zuviel Coffein und Streß und zu wenig Schlaf.
    Und dann ging eine Tür auf und eine Krankenschwester rief tatsächlich seinen Namen.
    »Mr. Paul Marrell?« Hinter ihr schrie ein Baby.
    Das dritte dieser drei kleinen Ereignisse hatte gerade eben in diesem Entbindungsraum stattgefunden.
    Als der Doktor das Neugeborene an den Waden faßte, wand sich das kleine Mädchen mit derart ungewöhnlicher Kraft hin und her, daß er beide Hände zu Hilfe nehmen mußte, damit ihm die schlüpfrigen Beine nicht entglitten. Aber das kleine Mädchen wand und drehte sich noch einmal heftig, bis seine großen, vom Licht geblendeten Augen nach Norden starrten, während es seinen ersten Schrei ausstieß.
     
    Von der Stunde an, in der seine junge Frau, unmittelbar nach der Geburt des Kindes, gestorben war, haßte Paul Marrell dieses Kind und machte vor niemandem einen Hehl daraus.
    Der Blutklumpen hatte sich seinen tödlichen Weg zur Aorta seiner Frau gebahnt, aber langsam, so daß sie noch einmal in die großen blauen Augen ihrer Tochter sehen konnte.
    »Wir werden sie Paula nennen. Hallo, Paula!«
    Das Baby verrenkte den Kopf nach Norden, als würde es von etwas angezogen, und seine Mutter lachte bewundernd.
    Aber dann erstarb das

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