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Aus dem Überall

Aus dem Überall

Titel: Aus dem Überall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Jr. Tiptree
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Reichweite, um ihn herum und konnte sein Glück kaum fassen.
    Unter den irdischen Räubern gibt es keinen einzigen von solch passiver Mordlust und mit einer derart ausgeprägten, aber merkwürdig automatenhaften Bösartigkeit. Nennen wir ihn den Esser. Esser kommen selten vor, aber sie haben ein langes Leben. Normalerweise liegen sie irgendwo im dichten Gewirr der Gase versteckt und warten auf eine Gelegenheit, ihrer Beute in irgendeiner anderen unschuldigen Gestalt entgegenzutreten.
    Der Esser, von dem hier die Rede ist, war sich sofort absolut sicher, daß es sich bei Enggi nicht etwa um eine Falle handelte, sondern daß er genauso war, wie er aussah: allein. Er hängte sich an die Fersen des unvorsichtigen kleinen Knirpses.
    Die beiden Kundschafter, die Enggis Spur geduldig verfolgten, waren sich der Gefahr voll und ganz bewußt. Als sie schließlich zu der verlassenen Lagerstatt eines Essers gelangten, wußten sie, daß sie Enggi finden mußten, und zwar schnell. Aber nicht etwa aus Nächstenliebe gegenüber Enggi!
    Denn was sie vorzufinden erwarteten, war kein toter oder teilweise verzehrter Enggi, sondern ein anscheinend intakter, völlig normaler, ihr fröhlicher kleiner Grexkumpel – der nichtsdestotrotz ausgelöscht werden mußte, und zwar von ihnen beiden, den Spähern.
    Denn ein Esser greift sein Opfer nicht von außen her an. Statt dessen ermuntert er die Beute, mit ihm in Berührung zu treten, und läßt sich von ihr einverleiben. Dann beginnt er unerbittlich damit, seinen Gast von innen heraus zu verspeisen, stets darauf bedacht, jedenfalls so lange es sich machen läßt, lebenswichtige Strukturen durch seine eigene Körpermaterie zu ersetzen. So daß ein Überfall lange Zeit verborgen bleiben kann. Schließlich tritt das letzte Stadium der Agonie ein, bei dem genau dort, wo vorher das Opfer war, drei oder noch mehr kräftige junge Esser in Erscheinung treten – bereit und auch fähig, jede Beute in ihrer Reichweite anzugreifen. So daß es einem einzigen unverdächtigen Esser mit der Zeit gelingen kann, einen Grex fast völlig zu zerstören.
    Enggis Rasse besaß keine Verteidigung gegen diesen Köder, es gab kein Anzeichen für die vollzogene Einnistung, keine Heilung und kein Mittel, einen einmal aufgenommenen Esser wieder auszustoßen oder herauszuschneiden. Folglich bestand die einzige Lösung darin, den Wirt eines Parasiten zu zerstören, egal, wie beliebt er im Grex auch sein mochte.
    So daß die Späher, als sie die leere Lagerstatt des Essers entdeckten, sofort wußten, daß Enggi offensichtlich und zweifellos das künftige Opfer sein würde. Und Enggi, mit seiner Vitalität und seiner vielversprechenden Art, erfreute sich bei seinem Grex großer Beliebtheit. Traurigkeit erfüllte die Späher. Als sie ihm dahin folgten, was sein Schicksal zu sein schien, ging von ihnen eine merkwürdige, klagende Musik aus, bis hin ins Spektrum der Sterne.
    Aber bevor Enggi auch nur von einem seiner Verfolger eingeholt wurde, ereignete sich ein Unglück völlig anderer Art.
    Er trödelte gerade neugierig in einem kleinen System mit nur einer Sonne herum, als er sich von einer intensiven lokalen Feldkonfiguration ergriffen fühlte, der seiner Fliehkraft nicht gewachsen war. Viel zu spät fiel ihm ein, daß ihn einer seiner Lehrer vor den irregulären magnetischen Strömen, die bei ganz bestimmten Sternenarten entstehen können, gewarnt hatte. Im selben Augenblick, als er sich daran erinnerte, merkte er auch schon, daß er hilflos dahintaumelte, immer schneller und schneller, geradewegs auf die kleine gelbe Sonne zu, in deren Hitze er den Tod finden würde. Panik!
    Warum, ach warum nur, hatte er nicht besser aufgepaßt? Da gab es doch etwas, was er tun müßte – aber was? Hatte es vielleicht etwas mit diesem Planeten zu tun?
    Der Esser, der Enggis wilden Flug beobachtete, wußte genau, was zu tun wäre, und richtete sich darauf ein, ruhig dazusitzen und einfach zu warten. Er war nicht unzufrieden; die Beute würde verwirrt und leicht zu überwältigen sein, wenn sie aus der schützenden Stasis wieder auftauchte.
    Aber was hätte geschehen müssen, geschah nicht, denn Enggi hatte sich nicht mehr rechtzeitig erinnert. Die eisigen äußeren Gaskugeln, auf denen er Zuflucht hätte suchen sollen, waren bereits vorbeigezischt. Vor ihm lagen nur noch die kleinen, tödlichen heißen inneren Trabanten. Der Esser folgte ihm irritiert.
    Verzweifelt forschte Enggi, während er immer weiter fiel, in seiner Erinnerung.

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