Aus dem Überall
Mist, den wir Leben nennen, war wieder da. Ich versuchte, mich daran zu klammern. Ich glaubte immer noch, ich könnte es spüren, als mir der Sauerstoff ausging … als mein Erkundungsschiff anlegte und sie mich herausholten, kam mir die menschliche Luft wie Gift vor. Ich versuchte, Grober, den Expeditionsleiter, zu schlagen … später erklärte ich ihm, daß ich nichts gefunden hätte.«
Er schwieg ein paar Minuten lang. Die Gefühle hatten anscheinend den Alkohol verbrannt, aber seine Augen blickten elend.
»Ich frage mich immer, ob das wohl überall passiert? Die Vorläufer, ein seltsames, lebloses Leben, das weiß, daß es vorübergehend und zum Untergang verurteilt ist, und das dennoch alles sieht, alles akzeptiert – und lacht? Das schönste im Universum, das im kosmischen Maßstab nur Sekunden existiert. Glauben Sie, das ist auch auf der Erde passiert? Ob es überall so ist, ehe die blutige Quälerei des Sauerstofflebens beginnt? … Diese Freude … und ich habe sie verlassen.«
Er wandte sich wieder direkt an mich.
»Verstehen Sie jetzt, warum ich keine Erkundungen mehr mache?«
»Damit Sie nicht noch einmal so etwas sehen?«
Er seufzte; ich sah, daß ich es doch nicht ganz verstanden hatte. Vielleicht konnte es auch niemand verstehen. »Das ist ein Grund, ja. Ich frage mich, ob es mehr davon gibt, und ich fürchte mich davor.« Erschöpfung und Alkohol übermannten ihn, sein Kopf sank auf die Fäuste. »Ich will es nicht wissen«, murmelte er. »Sollen die anderen verbrennen. Gott stehe ihnen bei … Gott stehe ihnen bei … ich will’s nicht wissen …«
Originaltitel: »Source of Innocent Merriment«
Copyright © 1980 by James Tiptree, Jr.
(erstmals erschienen in »Universe 10«,
hrsg. von Terry Carr, Doubleday 1980)
Copyright © 1989 der deutschen Übersetzung
by Wilhelm Heyne Verlag GmbH & Co. KG, München
Aus dem Amerikanischen übersetzt von Jürgen Langowski
Aus dem Überall
(OUT OF THE EVERYWHERE)
Enggi war ein Knirps aus den kalten Tiefen des Weltraums und zum ersten Mal allein unterwegs. Seine Mitgrex wußten nicht, wo er sich aufhielt, nicht einmal, daß er sie verlassen hatte. Auch wenn Enggi ziemlich weit war für sein Alter, war er noch viel zu jung – Jahrtausende zu jung und völlig unvorbereitet –, um allein und auf eigene Faust durch die Milchstraße zu ziehen.
Enggi und seinesgleichen ähnelten nichts, was es auf der Erde gab; sie waren fast körperlose Wesen, aus den Energiewirbeln des fast leeren Raums und eisigen Strahlen hervorgegangen, wo sich in den komplexen molekularen Trümmern stellarer Katastrophen Leben entwickelt. Aber – genau wie auf der Erde – begegnet ein solcher Knirps, wie Enggi es war, der sich von den Seinen entfernt und allein loszieht, tödlichen Gefahren.
Zuerst war alles schrecklich aufregend.
Er war begeistert, als er auf richtigen Sternenbahnen dahingetragen wurde – war entzückt über den Strahlenbeschuß, den er bis dahin nur aus langweiligen Lehren kannte – all die kosmischen Wunder, die er deutlich wahrnahm und die früher nichts weiter gewesen waren als verschwommene Flecken, die er aus den Gaswolken seines Grex-Nestes heraus beobachtet hatte. Die Erschütterungen einer gewaltigen Explosion erfüllten ihn mit Furcht, aber auch mit dem triumphierenden Gefühl von Macht. Und bei all dem war niemand da, der ihn hätte herumschubsen können! Niemand, der nein sagen konnte!
In manchen älteren Sternensystemen fand er sogar die schwachen Spuren von einem fremden Grex und löschte sie dreist aus. Ja! Vielleicht würde Enggi künftig sogar ein eigenes Territorium für sich beanspruchen, wenn er erst mal groß genug war, um sich mit eventuellen früheren Besitzern, die vielleicht auftauchten, messen zu können.
Äußerst zufrieden mit sich und allem, was er zu Gesicht bekam, schlenderte Enggi das Druckgefälle eines großen galaktischen Arms hinauf, stellte sich immer mal wieder quer zur Strömung, um sich dann wieder einfach treiben zu lassen. Und nach einer Weile hatte er sich gründlich verlaufen.
Inzwischen hatte man entdeckt, daß er aus seinem Grex verschwunden war. Alarm, Suche, Bestätigung. Zwei Späher aus einem erfahrenen Untergrex machten sich auf den Weg, um Enggis kalte Spur zu verfolgen.
Aber sie waren nicht die einzigen.
Schon einige Sternenhaufen weiter zurück hatte sich, ohne daß Enggi etwas davon bemerkte, ein dritter Verfolger dicht an seine Fersen geheftet und schlich, knapp außerhalb seiner
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