Aus der Asche - Silvanubis #2 (German Edition)
»Kommt gar nicht infrage, mein Junge«, herrschte sie die fiebernde Gestalt an. »Noah, hol mir einen Krug eiskaltes Wasser und bereite einen Pfefferminz-Thymian-Tee vor. Irgendwie muss ich dieses elende Fieber in den Griff bekommen. Das kommt nicht infrage«, wiederholte sie zornig. Noah war bereits zur Tür hinaus, als er sich noch einmal umdrehte.
»Ich glaube, es liegt nicht mehr in unserer Hand. Wenn doch nur …« Er hielt inne und sah zum Krankenlager hinüber.
»Ich weiß, Noah, ich weiß. Und wenn ich mich nicht täusche, dann spürt sie es auch.«
Kapitel 6
Offenbarungen
L angsam drehte Anna ihre Hand um, die rosa Narbe war im Kerzenlicht schwer zu erkennen. Eva tastete vorsichtig mit ihrem Zeigefinger darüber.
»Keine Sorge, Eva. Es tut nicht weh.«
Auch Peter hatte seinen Ärmel hochgeschoben. Evas Blick streifte für einen Moment die blasse Federspur auf seinem Unterarm. Lisa saß stumm neben ihrer Mutter, die Hände im Schoß gefaltet. Alexanders Schwester hatte sich nicht bewegt, seit Anna zu erzählen begonnen hatte.
»Und deshalb«, fuhr Anna fort, »weiß ich, dass es Alexander nicht gut geht.«
Das war noch milde ausgedrückt, doch sie wollte Eva nicht zu sehr ängstigen. Alexander ging es nicht nur schlecht, ihm blieb nicht mehr viel Zeit. Evas Augen hatten sich zu schmalen Schlitzen verengt. Sie tat Anna leid, er war ihr Sohn. Der einzige, der noch übrig war.
»Und was ist mit dieser Magierin … Kyra?«
Anna stand auf und öffnete das Fenster. Das Zimmer war eindeutig zu klein, die Luft zu stickig für sechs Personen, die sich wacklige Stühle und die Bettkante teilten. Anna steckte den Kopf durchs Fenster und atmete tief ein. Heute Morgen noch hatte sie sich gelöst, beinah unbeschwert gefühlt und nun schien eine neue Last zentnerschwer auf ihre Schultern zu drücken. Sie stieß einen leisen Seufzer aus und drehte sich schließlich zu Eva um.
»Ungefähr fünf Wochen noch, dann ist diese Gefahr vorüber. Aber ich glaube nicht, dass …«, Anna schluckte, »dass sie ihn in ihrer Gewalt hat.« Sicher war sie sich nicht, doch sie hatte so ein Gefühl. Irgendwann würde ihr der Phönix erlauben, genauer hinzusehen. Doch sie wusste, Noah war bei ihm. Was immer das bedeutete.
»Deshalb könnt ihr auch nicht mitkommen. Erstens würde es länger dauern, bis wir bei ihm sind. Die Passagen schwächen, besonders beim ersten Mal.«
Erin nickte zerknirscht.
»Und außerdem …« Kyra! Nicht zum ersten Mal wünschte ihr Anna alle möglichen unschönen Dinge an den Hals. »Außerdem wärt ihr dann ebenfalls in Gefahr.«
»Und wenn ich bereit bin, mich dieser Gefahr zu stellen, Anna? Es ist nicht gerade so, dass das etwas Neues für mich …«, Eva richtete den Blick auf ihre Tochter, »… für uns wäre. Irgendwann fürchtet man sich nicht mehr«, fügte sie düster hinzu.
Eva machte es ihr nicht leicht, sie hatte es vorher gewusst. Anna straffte den Rücken. Sie musste also ihren letzten Trumpf ausspielen.
»Das glaube ich dir, Eva.« Anna zupfte an der Bettdecke. »Aber sollte ihr Plan gelingen, und sie würde dich oder Lisa …«
Weiter kam sie nicht.
»Von Lisa«, fiel ihr Eva ins Wort, »war nicht die Rede.«
»Entschuldige, Eva.« Annas Finger bohrten sich in die dünne Matratze. »Sollte sie also dich in ihre Gewalt bekommen und ihren verfluchten Plan ausführen, so wäre, von den besonderen Kreaturen und der Magie mal ganz abgesehen …«, verdammt, musste Alexanders Mutter es ihr denn so schwer machen? Anna kam ins Stocken, »… dann wäre für alle die Rückkehr hierher unmöglich. Auch für Alexander«, fügte sie unnötigerweise hinzu. »Außerdem hast du einmal zu mir gesagt, dass du genügend Zeit hattest, dem allen hier den Rücken zu kehren, und es nicht getan hast.«
Eva legte ihre Hand auf die ihrer Tochter und schloss die Augen. Eine Weile sprach keiner. Erin und Edmund blickten betreten auf den Fußboden. Peter rollte nachdenklich den Hemdsärmel hinunter.
Es war Lisa, die schließlich das Wort ergriff. »Wenn du willst, dass sie Alex hilft, dann lass sie allein gehen.«
Eva versuchte, ihre Hand fortzuziehen, doch Lisa griff auch mit der anderen zu.
»Sieh mich an, Mama. Mir fehlt er auch. Aber Alex … er war nicht glücklich hier. Du weißt das. Hast du denn vergessen, warum wir die vergangenen Jahre einigermaßen heil überstanden haben, was uns geholfen hat, nicht zu brechen? Wir haben immer auf die richtigen Menschen gebaut, ihnen
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